678 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 161.
nicht mehr und nichts anderes darstellt als ein qualifiziertes Polizei-
verordnungsrecht, der Art, daß die Notverordnung nur polizei-
liche Vorschriften mit Strafandrohung, nicht aber z. B. privat-
rechtliche Normen enthalten darf®,.
Das Verordnungsrecht erstreckt sich auch auf solche Gegen-
stände, welche die Verfassung ausdrücklich der Regelung „durch
Gesetz“ oder „im Wege der Gesetzgebung“ überweist; es ist in
dieser Beziehung staatsrechtlich gleichgültig, ob der Vorbehalt des
Gesetzes auf allgemeinen Grundsätzen (oben $ 157) oder auf
speziellen Vorschriften der Verfassung beruht®.
Die Notverordnungen sind unter Kenntlichmachung ihrer
Eigenschaft als Notverordnung, z. B. unter Bezugnahme auf die
zum Erlaß solcher Verordnungen ermächtigende Verfassungs-
bestimmung, wie formelle Gesetze zu verkündigen. Sie sind dem
Landtage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung
vorzulegen&. Erteilt der Landtag die Genehmigung, so bleibt die
Verordnung als ein nunmehr vollwertiges, von der Volksvertretung
gutgeheißenes formelles Gesetz in Kraft. Wird die Genehmigung
vom Landtag, in den Ländern mit Zweikammersystem auch nur
von einer Kammer, verweigert, so tritt nach einigen Verfassungenb
die Verordnung von selbst außer Kraft, während andere die
Regierung verpflichten, die Verordnung unverzüglich aufzuheben,
sie aber bis zur erfolgten Aufhebung in Kraft belassen. Letzteres
Prinzip gilt, schon aus Gründen der Rechtssicherheit, auch in den
5 Bayr. PolStrGB Art. 9. Vgl. v. Seydel-Piloty, Bayr. StR 1 855 ff.
6 [Für das preußische Staatsrecht ist dies bestritten. v. Roenne, Preuß,
StR (4. Aufl.) 1 371 ff.; Schulze, Preuß. StR 2 35, 36; Schwartz, Komm. zur
reuß, Verf.208 ff. nehmen an, daß in den (sehr zahlreichen) Fällen, in denen
die preuß, Verfassung ein Gesetz vorbehält bzw. verheißt (z. B. Art. 5, 6, 8,
9, 13, 17, 19, 27, 80, usw.) der Notverordnungsweg unzulässig sei. Gegen
diese, von der Staatspraxis niemals anerkannte nnd offensichtlich unrichtige,
Meinung mit Recht: v. Gerber, Grundz. 153 N. 3, G. Meyer in der Voraufl,
578, v. Roenne-Zorn, Preuß. StR 3 24 fi.; Arndt, ArchÖRR 4 488 fi. und
Komm. z. preuß. Verf. (7. Aufl.) 264; Bornhak, Preuß. StR 1 540 ff.; Glatzer,
a, a. O. 3Aff. — Die Notverordnung ist auch da nicht ausgeschlossen, wo
die Verfassung den Weg der „ordentlichen Gesetzgebung“ oder ein „mit
vorheriger Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz“ fordert, denn
auch diese Ausdrücke umschreiben lediglich den Vorbehalt des (einfachen)
Gesetzes. A. M. in diesem Punkte die Voraufl., 578: Arndt, Glatzer, Born-
hak, a a. O. (544); übereinstimmend (anscheinend) v. Roenne-Zorn, StR 8 25
m.
a Dieses Erfordernis besteht nicht in Württemberg und Baden. Vel. für
Württemberg Göz, a. a. 0.218 (a.M. v. Mohl, Württ. StR 533; v. Sarwey. Württ,
StR 2 19ff.), für Baden Walz, a.a.0. 216; Thoma, Ztsch. bad.V. 1908 96 (a.M.
Wielandt, Bad. StR 168; Glockner, a. a. O. 30ff. und Bad. VerfR 150). In
Hessen bedarf es der Vorlage an den Landtag nur, wenn die NotV nach Ab-
lauf eines Jahres noch für längere Zeit oder bleibend in Wirksamkeit erhalten
werden soll: G. vom 15. Juli 1862 Art. 1; vgl. van Calker, Hess. VerfG 186.
b — Braunschweig, S.-Weimar, S.-Koburg und Gotha; vgl. die Zitate
oben N. 2. So auch das Bayr. PolStrGB Art. 9.
e Hess. G. vom 15. Juli 1862 (s.o. Anm. 2; Oldenburg, Schw.-Sonders-
hausen, Lippe, Waldeck; vgl. die Zitate oben N. 2,