Die Funktionen. $& 168. 681
ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und ausreichend®. [Das
Wort „ausreichend“ will der stastenbündischen Vorstellung (oben
8 13, $ 46) entgegentreten, als bedürfte es zum Zustandekommen
eines Reichsgesetzes noch einer irgendwie gearteten sanktionieren-
den oder verkündigenden Tätigkeit der Einzelstaatsgewalten. Die
bundesstaatliche Unmittelbarkeit (oben $ 14 S. 50) wollte durch
Art. 5 RV betont, nicht aber gesagt sein, daß das Reichsgesetz
schon dann fertig sei, wenn über seinen Inhalt Einigkeit zwischen
Bundesrat und. Reichstag hergestellt ist. Zum Abschluß des
Gesetzgebungsverfahrens bedarf es nach der Feststellung des
Gesetzesinhaltes erst noch der Sanktion durch den Bundesrat
(RV Art.7 Nr. 1), der Ausfertigung durch den Kaiser (Art. 17)
und der Verkündigung (Art. 2). Die Gliederung des Gesetz-
gebungsverfahrens ist dieselbe wie bei der Landesgesetzgebung
(oben $ 158); es sind also auch hier zu unterscheiden: Initiative
(Gesetzvorschlag), Feststellung des Gesetzesinhalts, Sanktion, Aus-
fertigung, Publikation (Verkündigung); nur daß der Akt der Aus-
fertigung, welcher dort (oben $ 158 S. 665) mit der Sanktion
äußerlich ununterscheidbar zusammenfällt, hier durch Übertragung
an ur besonderes Organ, den Kaiser, selbständige Gestaltung ge-
winnt.
Wie im Einzelstaat der Monarch als Träger der Staatsgewalt,
so erscheint im Reiche die Gesamtheit der verbündeten Regierungen
als Träger der Reichsgewalt. Sie ist als der Inhaber der gesetz-
gebenden Befugnisse anzusehen, ihre Sanktion verleiht einer Norm
den Charakter des Gesetzes. Die Gesamtheit der verbündeten
Regierungen wird aber repräsentiert durch den Bundesrat. Die
Sanktion der Gesetze erfolgt demnach durch einen Be-
schluß des Bundesrates Die Zustimmung des Reichstages
Reichsgesetzgebung, ebenda 14 31ff.; Laband, Berichtigung von Reichs-
gesetzen, in der DJZ 1903 301 ft.
& Siehe Seito 679. Die oben $ 155 dargelegte Unterscheidung zwischen
Gesetzen im materiellen und im formellen Sinne gilt wie für das deutsche
Landes-, so auch für das Reichsstaatsrecht. Vgl. statt aller: Laband, StR
2 1f. Auch das Verhältnis der beiden Gesetzesbegriffe zu einander (oben
639 ff.) ist im Reiche dasselbe wie in den Einzelstaaten; auch nach Reichs-
recht gilt der Satz, daß Gesetze im materiellen Sinne (Rechtssätze) grund-
sätzlich im Wege der formellen Gesetzgebung zu erlassen sind und auf
einem andern (dem Verordnungs-) Wege nur kraft formellgesetzlicher Er-
mächfigung erlassen werden dürfen (vgl. auch unten $ 165 8. 706, 707).
s RVerf Art. 5.
* Laband. StR 2 29 ff, Kl.A. 122 &.; v. Rönne, StRDR 2 1866 S. 48 ff;
Seydel, Komm. z. Art. 5 Nr. 1, Art. 7 Nr. II, Art. 17 Nr. I, in v. Holtzen-
dorfs und Brentanos Jahrbuch für esetzgebun usw. des Deutschen
Reiches, N. F., 8 255; H. Schulze, LehrbDStR 2 8 285 S. 118; Haenel,
Organisatorische Entwicklung der RVerf 52; Zorn, StR 1 413; Binding in
Schmollers J. 5 879; Trieps, Reich und Bundesstaaten 192; Arndt, Komm.
z. RVerf, zu Art. 17 Nr. 1, RStR 180; Binding, Rechtliche Stellung des
Kaisers 14; Frormann, a.a.0. 65, 89; Kliemke, Staatsrechtliche Stellung des
Bundesrates 40; Anschütz, Enzykl. 158; Abg. Dr. Windthorst in der Reichs-