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ist nur eine Vorbedingung, welche erfüllt sein muß, damit die
Sanktion stattfinden kann. Auch ein vom Bundesrate an den
Reichstag gelangter Gesetzentwurf, welcher von diesem unverändert
genehmigt ist, bedarf, um Gesetz zu werden, einer nochmaligen
Annahme seitens des Bundesrates,
Der Kaiser ist weder bei der Feststellung des Gesetzes-
inhalts noch bei der Sanktion beteiligt und insoweit kein selb-
ständiger Faktor der Gesetzgebung; seine Mitwirkung bei der
letzteren beschränkt sich auf die mehr formalen Tätigkeiten der
Ausfertigung und Verkündigung der Gesetze. Er hat das Recht
und die Pflicht, die vom Bundesrat und Reichstag verfassungs-
mäßig zustandegebrachten Gesetze auszufertigen und zu publi-
zieren.
tagssitzung vom 12. Jan. 1882 (StenBer 592); Schoen im HdbPol 1 290. Die
Anwendbarkeit des Begriffes der Sanktion auf das deutsche Reichsstaats-
recht bestreiten: Gierke in Grünhts Ztschr. für d. Privat- und öffentliche Recht
der Gegenwart 6 230, DPrivR 1 131; Kolbow, a. a. O. 88ff.; Affolter, Allg.
StR 69; Rosenberg, in den AnuDR 19.0 577 ff. Vgl. gegen die in dieser
Hinsicht erhobenen Bedenken die N.2 zitierte Schrift G. Meyers. 47 ff. [Nach
Laband, a. a. O. ist der Reichstag wohl an der Feststellung des Gesetzes-
inhaltes, nicht aber an dem Erlaß dea Gesetzesbefehls beteiligt, welcher
letztere, als Sanktion, dem Bundesrate allein zustehe. Diese Ansicht ist die
heute herrschende. vgl. oben & 158 S. 665 Anm.e. Gegen sie Lukas in der
dort angef. Schrift, auch Rauschenberger, Der Anteil des Bundesrates an
der Reichsgesetzgebung (Heidelberger Diss., 1906), 12 ff. Ein Sanktionsrecht
des Kaisers behauptet Bornhak im ArchOffR 8 460 ff. unter Berufung auf
die Anm. 14 dieses Paragraphen erwähnte Publikationsformel. Letztere kann
aber gegenüber den Bestimmungen der Verfassung nicht maßgebend sein
und die Bildung eines Gewohnheitsrechts ist in dem Gebrauche derselben
nicht enthalten. Vgl. Laband, StR? 35 N. 2, Kl. A. 123, 124; Seydel, Komm.
zu Art. 17 Nr. I: Frormunn, a. a 0. 76 ff.
6 Diese Ansicht ist die communis opinio der staatsrechtlichen Schrift-
steller, sie wurde auch von Fürst Bismarck geteilt (Gedank. und Erinner. 2
306). Vgl. hierzu Anschütz, Bismarck u.d. RVerf32. Die Ansicht Bismarcks
ist adoptiert.in der kaiserlichen Thronrede vom 27. Juni 1888 (v. Seydel,
Komm. 173). Übereinstimmend: Hiersemenzel zu Art. 17, Il; Thudichum,
VerfR 88; Riedel zu Art.17 I; Westerkamp 130 ff.; Seydel, Komm. z. Art. 2
Nr. VI und 17 Nr. I; R. v. Mohl, DRStR 291; Laband, StR ? 42 ff, Kl. A.
124ff.; v. Rönne, a. a. O0. S 66 S. 49; Haenel, a. a. O.; Proebst, VerfDR zu
Art.5 Nr.2; H. Schulze, LehrbDStR2118; v. Kirchenheim, LehrbDStR 115;
Kolbow, a. a. O. 73ff.; Zorn, a. a. O. 416; Fischer, Recht des deutschen
Kaisers 156; Binding, Rechtliche Stellung des Kaisers 15; Rehm, Unitarismus
und Föderalismus in der deutschen RVerf 16; Frormann, a. a.0. 54 ff.; An-
schütz, Enzykl. 158, im WStVR 2 216; Schoen, HdbPol 290, 291. — Anderer
Ansicht: v. Martitz, Betrachtungen 53 und Dernburg, Pandekten 1 55,
welche behaupten, daß die Verkündigung der vom Bundesrat und Reichstag
beschlossenen Gesetze im Belieben des Kaisers stehe. Dieser Ansicht steht
jedoch die Bestimmung des Art. 5 der Reichsverfassung entgegen, wonach
zu einem Reichsgesetze die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider
Versammlungen erforderlich und ausreichend ist. Auch würde die dem
Präsidium“ (d.h. Preußen) im Art. 5 der RVerf eingeräumte Befugnis, auf
dem Gebiete des Zoll-, Militär- und Marinewesens gegen die Abänderung
der bestehenden Einrichtungen Widerspruch zu erheben, völlig überflüssi
sein, wenn der König von Preußen als Kaiser die Befugnis hätte, den Erlaf