684 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 168.
Betrifft das Gesetz eine Angelegenheit, welche im Sinne des
Art. 7 Abe. 4RV nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich ist, so
werden bei jedem dieses Gesetz betreffenden Bundesratsbeschlusse,
also auch bei dem Sanktionsbeschluß, die Stimmen nur derjenigen
Staaten gezählt, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich ist
(oben $ 124 S. 491).
3. Sowohl Bundesrat als Reichstag besitzen das Recht des
Gesetzvorschlags (der Initiative),
—
Art. Nr. 5; Haenel, Vertragsmäßige Elemente 258 ff.; Laband, StR 1 284;
Zorn, StR 1431; Binding, in der DJZ 4 71, die vier letzten wenigstens hin-
sichtlich der Verfassungsänderungen, während sie sich über die anderen
Punkte nicht äußern, wie es scheint, auch R. v. Mohl 290 und 291 Nr. 2.
[Übereinstimmen® ferner Rehm, Allg. StL 145, 146, der auch die streitig ge-
wordene Frage, ob ein Sonderrecht vorliege, d. h. Art. 78 Abs. 2 RVerf.
Anwendung zu finden habe, im Bundesrate mit einfacher Mehrheit ent-
schieden wissen will] Dieser Auffassung entspricht auch die Praxis. Vgl.
Haenel, DStR 1 583. — Anderer Ansicht: Hiersemenzel zu Art. 2 II und
Seydel, Komm. z. Art. 7 Nr. VII. Letzterer gelangt zu keinem bestimmten
Ergebnis und meint nur, am einfachsten erledige sich die Sache durch An-
wendung der Formen der Verfassungsänderungen (Art. 78 Abs. I). Hier
handelt es sich aber nicht um Verfassungsänd«rungen, bei denen doch auch
der Reichstag mitwirken muß, sondern um einen bloßen Beschluß des Bundes-
rates, welcher die Vorfrage, ob eine Verfassungsänderung vorzunehmen
sei, entscheidet. Hiersemenzel behauptet, daß die Frage, ob eine Ver-
fassungsänderung vorliege, nicht durch einfache Majorität erledigt werden
dürfe, weil sonst die Majorität imstande sei, die Vorschriften der Verfassun
über Verfassungsänderungen illusorisch zu machen. Er übersieht aber, d
bei der entgegengesetzten Auftassung die Minorität sich in der Lage be-
findet, die Vorschriften der Verfassung über einfache lteichsgesetze illusorisch
zu mach'n, indem sie die Anwendung der für die Verfassungsänderungen
vorgeschriebenen Formen fordert — v,. Rönne stimmt hinsichtlich der Ver-
fassungsänderungen ebenfalls mit der hier vertretenen Ansicht überein
(StRDR 365 2 1 S. 35), ist dagegen anderer Ansicht hinsichtlich derjenigen
Gegenstände, in bezug auf welche dem Präsidium ein Widerspruchsrecht zu-
steht. Er meint, der Kaiser müsse, wenn er hinsichtlich der geschäftlichen
Behandlung derselben im Bundesrate überstimmt sei, zwar die Vorlage des
Bundesrates an den Reichstag bringen ($ 27 1 230), könne aber nachner die
Publikation des Gesetzes verweigern ($ 66 2 1 S. 50). Für die Verweisun
der Sache an ein Austrägalgericht, welche Oppenheimer in der DJZ 2 49
vorschlägt, fehlt in der Reichsverfassung jeder Anhalt.
[Beschließt der Bundesrat, daß einer der im Text bezeichneten Fälle
nicht vorliege, also ein von irgend einer Seite beanspruchtes Vetorecht nicht
egeben sei, und sanktioniert daraufhin das betreffende Gesetz mit einfacher
Stimmenmelirheit, so sind diese Beschlüsse wohl für die unterlegene Minder-
heit, nicht aber für den Kaiser maßgebend, welcher vor der im obliegenden
Ausfertigung des Gesetzes frei zu prüfen und selbständig darüber zu ent-
scheiden hat, ob die Auffassung der Bundesratsmehrheit mit der Reichs-
verfassung im Einklang steht: Dejahendenfalls ist die Ausfertigung zu er-
teilen, andernfalls abzulehnen (vgl. oben iın Text unter Nr. 4) Den Aus-
führungen von Trier, Verfassuugswidrige Reichsgesetze (Marburger Diss.
1907) 66, 67 kann beigetreten werden, mit dem Vorbehalt, daß ein gemäß
Art. 17, 2 KV ausgefertigtes und verkündigtes Reiclisgesetz niemals
nichtig“ ist.
” 11 Nach Art.23 der Reichsverfassung besitzt der Reichstag das Recht,
Gesetze vorzuschlagen nur „innerhalb der Kompetenz des Reiches“.
Wenn letztere Bestimmung überhaupt eine Bedeutung haben soll, so kann