Die Funktionen. $ 164. 695
der Gestaltung der Eingangsworte („Präambel“) .. . „schließen
einen ewigen Bund“ begründen läßt, ist bereits in anderem Zu-
sammenhange dargelegt wordenr. Mithin sind „vertragsmäßige
Grundlagen“ der Reichsverfassung im Rechtssinne, d. h. im
Sinne von rechtlich wirksamen Schranken der verfassungändern-
den Gewalt des Reichs, im Sinne fundamentaler Normen und Ein-
richtungen, welche nicht durch Reichsgesetz gemäß RV Art. 78,
sondern nur so, wie der deutsche Bundesstaat einst geschaffen
wurde, durch Gesamtakt der verbündeten Regierungen, abgeändert
werden könnten, nicht vorhanden.
Das Dasein „vertragsmäßiger Grundlagen“ in der vorstehend gekenn-
zeichneten Bedeutung wird gleichfalls geleugnet von Haenel, Studien 1
177 ., StR 1 771 f.; Laband, StR 1 129; v. Roenne, StR dA DR 8 65 S. 27 ff;
Jellinek, Lehre v. d. Staatenverbindungen 301 fl., Staatsl 783 f}.; Schulze,
Deutsches StR 1 165. 2 1, 2; Anschütz, Enzykl. 58, 59, 63, 66, 67; Arndt,
Reichsstaatsr 194; Triepel, Unitarismus u. Föderalismus; Rosenthal, Reichs-
regierung 48; Affolter, AnnDR 1908 847; auch von Zorn und Rehm (welche
indessen mit der hier und auch von ihnen bekämpften Lehre im Ergebnis
in wesentlichen Punkten zusammentreffen; vgl.oben Anm.m); — behauptet
dagegen von Seydel, Komm. 13 ff., 419 ff.; O. Mayer, ArchOffR 18 358 f., 363 ff. ;
v. Jagemann, Reichsverfass. 27 ff, 37ff.; Dambitsch, Komm. z. RV 8ff., 679 ff;
Bähr, PreußJahrbb. 28 72 #f.; Smend in der Festgabe f. Otto Mayer (1916),
258 ff.; namentlich auch von G. Meyer in der Voraufl. 588ff, G. Meyer rechnet
zu den vertragsmäßigen Grundlagen: die Existenz der Einzelstaaten als
Glieder des Bundes, das Bestehen eines Bundesverhältnisses und die (durch
die Eingangsworte der RV festgestellten) Bundeszwecke. Auf die Erhaltung
dieser Grundlagen habe jeder Einzelstaat dem Reiche (nicht den einzelnen
übrigen Staaten) gegenüber ein vertragsmäßiges Recht, die Änderung und
Aufhebung der Grundlagen könne daher nur unter Zustimmung beider Teile:
des Reiches (zu erteilen in der Form des verfassungändernden Reichsgesetzes)
und des beteiligten Einzelstaates bzw. der beteiligten Einzelstaaten, erfolgen.
r Oben 195 und Anm. hm A. M. G. Meyer, Voraufl. 175, 588 N. 6
und Staatsrechtl. Erört. 53ff. Im Sinne des Textes jetzt insbes. Rehm,
a. a. O. 136, 179; vgl. Voraufl. 590 Anm, 9.
e) Gestützt auf seine Theorie von den vertragsmäßigen Grundlagen be-
hauptet G. Meyer (Voraufl. 591, 592), daß „eine bänderung der RV unter
Zustimmung des betreffenden Einzelstaates“ erforderlich sei, insbesondere
zur Abtretung einzelstaatlichen (Gegensatz: reichsunmittelbaren) Gebietes an
das Ausland, wofern dieselbe nicht in einem Friedensvertrage erfolgt, und
ebenso zur Vereinigung eines deutschen Staates mit einem andern deutschen
Staate. Dagegen seien (a. a. O. 598) teilweise Abtretungen an andere deutsche
Staaten durch bloße Vereinbarung der beteiligten Staaten (ohne Zustimmung
der Reichsgewalt) für zulässig zu erachten, weil dadurch weder die Mit-
Kliedachaft am Reiche noch irgendeine Bestimmung der RV berührt werde.
asselbe gelte von der Vereinigung mehrerer deutscher Staaten in der Form
der Personal- oder Realunion. Daß das Reich Gebietsteile, die einem seiner
Einzelstaaten angehören, nur in einem Friedensvertrage, sonst aber nicht
ohne und wider den Willen des betreffenden Einzelstaates abtreten darf,
ist, wie bereits oben S. 242 anerkannt, richtig. Es folgt dies aber nicht aus
„vertragsmäßigen Grundlagen“, sondern daraus, daß das Reich über das Gebiet
seiner Staaten nur verfügen darf in Handhabung einer verfassungsmäßigen Zu-
ständigkeit, welche das Recht zur Vornahme von Gebietsabtretungen einschließt
bzw. notwendigerweise mit sich bringt. Das dem Reiche durch Art. 11 RV
verliehene Recht über Krieg und Frieden ist nach geltendem Verfassungsrecht