Die Funktionen. $ 164. 701
trages geregelt), sondern die Exemtionen Bayerns von der Reichs-
kompetenz auf dem Gebiete des Heimats- und Niederlassungs-
wesens, des Eisenbahn-, Post und Telegraphenwesens und des
Militärwesens („Exemtionsprivilegien“w). Daraus ergibt sich, daß
unter den „bestimmten Rechten einzelner Bundes-
staaten“ diejenigen Exemtionen derselben von der
Reichskompetenz zu verstehen sind, welche ihnen auf Grund
bestimmter Vorschriften der Reichsverfassung zustehen ®.
Die Verfassungsvorschriften, zu deren Anderung hiernach die
Zustimmung des berechtigten Bundesstaates erforderlich ist, waren
daher ursprünglich folgende:
die Bestimmung des Art. 4 Nr. 1, daß die Reichsgesetzgebung
in Bayern sich nicht auf die Heimats- und Niederlassungsverhält-
nisse erstreckt;
die Bestimmung des Artikel 34, daß die Hansestädte Bremen
und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke
ihres oder des umliegenden Gebietes außerhalb der gemeinschaft-
lichen Zollgrenze bleiben, bis sie ihren Einschluß in dieselbe be-
antragen ?;
die Bestimmung des Artikel 35, daß in Bayern, Württember
und Baden die Besteuerung des inländischen Branntweins und
Bieres der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibt;
die Bestimmung des Artikel 46, daß die Vorschriften der
Artikel 42—45 über Eisenbahnen auf Bayern nicht anwendbar sind;
die Bestimmung des Artikel 52, daß die Vorschriften der
Artikel 48—52 auf Bayern und Württemberg keine Anwendung
nden;
6 Gegen die Verwendung des angeführten Zusatzes aus dem Vertrage
mit Bayern zur Interpretation des Art. 78 Abs. 2 hat Haenel, Vertragsmäßige
Elemente 207 N. 100 Einwendungen erhoben, weil Ziffer III keine vollständige
Aufzählung der Exemtionen Bayerns enthalte; die Befreiung von der Gesetz-
ebung über Bier- und Branntweinsteuer vielmehr unter Ziffer II stehe.
Dagegen ist jedoch zu bemerken, daß Ziffer III allerdings alle diejenigen
Exemtionen aufzählt, welche speziell Bayern in dem Vertrage vom
23. Nov. eingeräumt sind, während die unter II aufgeführten bereits Baden
und Hessen in dem Vertrage vom 15. Nov. zugestanden waren. [Überein-
stimmend in der Bewertung des Versailler Vertrages Ziff. V als Material zur
Auslegung des Art. 78 Abs.2 RV: Thudichum ın Holtzendorffs Handb, f.
Gesetzgebung 1 48; v. Kirchenheim, a. a. O. 284; Anschütz, Enzykl. 76, 77;
E. Loewenfeld, a. a. O. 41. ,
' Haenel, Vertragsmäßige Elemente 200 ff., will auf das Privileg der
Hansestädte die Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 nicht angewendet wissen, weil
zum Eintritt der Hansestädte in die Zollgrenze eine Verfassungsänderung
nicht notwendig sei, vielmehr ein einfacher Beschluß des Bundesrates genüge.
Hier handelt es sich aber nicht um den Fall, wo eine der Hansestädte sich
bereit erklärt, freiwillig in die Zollgrenze einzutreten, sondern um die Frage,
ob ihnen das Privileg, gegen ihren Willen nicht eintreten zu brauchen, ohne
ihre Zustimmung genommen werden kann. Mit der hier entwickelten An-
sicht stimmen fast alle Schriftsteller und Redner im Reichstage über den
Gegenstand überein. Vgl. die Nachweisungen bei G. Meyer, Deutsches
VerwaltR (2. Aufl.) 2 324 N.9.
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. II. 7. Aufl. 45