Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

704 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 164. 
vor Abgabe der Erklärung die Zustimmung ihres Landtags ein- 
zuholen und die Erklärung zu unterlassen, wenn der Landtag dem 
Verzicht auf das Sonderrecht widerspricht, läßt sich weder aus 
der Reichsverfassung noch aus allgemeinen staatsrechtlichen Grund- 
sätzen herleitenz. Der Satz, daß der Einzelstaat dem Reiche 
gegenüber ausschließlich durch seine Regierung vertreten wird, 
welche demzufolge auch die Mitwirkung des Staates bei der 
Reichsgesetzgebung allein, durch den oder die von ihr instruierten 
Bundesratsbevollmächtigten ausübt2a, gilt auch für den Fall des 
Art. 78 Abs. 2. Durch Landesgesetz könnte eine Verpflichtung 
des angegebenen Inhalts allerdings begründet werden, jedoch nur 
gegenüber dem Landtage, nicht mit Wirksamkeit gegenüber dem 
Reichbb. Ein solches Landesgesetz ist bisher noch in keinem 
deutschen Staate erlassen worden.] 
Neben den durch Art. 78 Abs. 2 geschützten Sonderrechten 
bestehen noch einige andere Sonderrechte einzelner Staaten, Rechte, 
die man vertragsmäßige Sonderrechte nennen kann, weil sie 
nicht, wie die Rechte des Art. 78 Abs. 2, auf Verfassungs- 
vorschriften, sondern auf Verträgen, auf besonderen Verabredungen 
der Novemberverträge mit den süddeutschen Staaten (oben 205, 
206) beruhen, die durch das RG betr. die Verfassung des Deutschen 
Reiches vom 16. April 1871 in Geltung erhalten, nicht aber in die 
RV aufgenommen, auch nicht zu Bestandteilen der Verfassung er- 
klärt worden sind: auf den Schlußprotokollen vom 15., 23. und 
25. November 1870 zu den Novemberverträgen (oben 208). Die 
betreffenden Bestimmungen der Schlußprotokolle beziehen sich auf 
den Anteil Badens an den Postüberschtissen, auf gewisse Sonder- 
rechte Württembergs hinsichtlich des Post- und Eisenbahnwesens, 
auf die Exemtion Bayerns von der Immobiliarversicherungsgesetz- 
gebung des Reiches, auf die Vergütungen, welche Bayern für den 
diplomatischen Dienst gezahlt werden, auf die Vertretung des 
Reichsgesandten durch den bayrischen Gesandten und auf den 
stellvertretenden Vorsitz Bayerns im Bundesrat!*. Wenngleich 
z A. M. die Voraufl. 8.598, mit der Begründung, „der Akt“ (d. h. die 
Aufhebung des Sonderrechts gemäß Art, 78 Abs. 2) habe „den Charakter 
einer allgemeinen gesetzgeberischen Maßregel“. Es handelt sich doch aber 
nicht um eine Maßregel der Landesgesetzgebung, wobei der Landtag mit- 
zuwirken hat, sondern um einen Akt der Reichsgesetzgebun ‚ welche aus- 
schließlich durch Bundesrat und Reichstag ausgeübt wird. ie G. Meyer 
auch v. Mohl, Reichsstaater 64, 65; Zorn, StR 1 131fl. u. a. Vgl. dagegen 
die zutreffenden Ausführungen Seydels, Komm. z. RV 425 ff., wiederholt bei 
Seydel-Piloty, Bayer. StR 1 73, 74. 
as Oben $ 123 S. 485. 
bb ve, oben $ 123 8.485, 486; Anschütz, Enzykl. 97; Laband, StB 1 
125, 126; Westerkamp 81; v. Rönne, $ 65 S. 41ff.; Dambitsch, a. a. O. 239, 
685. — Seydel, 2.2. ÖO.; Loening, Grundzüge 43; v. Jagemann, a.a O0. 236; 
Kittel, a. a. O. 24fl. halten ein solches Landesgesetz für reichsrechtlich: un- 
ässig. 
1 Vgl. Haenel, Vertragsmäßige Elemente 232 fi.; Anschütz, Enzykl. 77, 78.
	        
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