708 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 165.
führungsverordnungen zu erlassen, besteht sowohl in bezug auf
solche Gegenstände, welche der Gesetzgebung und der Verwaltung
des Reiches unterliegen, als in bezug auf solche, welche zwar
reichsgesetzlich geregelt sind, hinsichtlich deren aber die Ver-
waltung den Einzelstaaten vorbehalten ist. Über letztere dürfen
allerdings auch die höheren Verwaltungsorgane der Einzelstaaten
kraft ihrer Verwaltungsbefugnisse Ausführungsverordnungen er-
lassen, aber nur solche, welche den Charakter von Verwaltungs-
verordnungen haben. Bei Beschlußfassungen des Bundesrates,
welche sich auf Verordnungen über Zölle und Verbrauchssteuern
beziehen, gibt die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn
sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschriften und
Einrichtungen ausspricht 14;
b) Polizeiverordnungen. Die Befugnis zum Erlaß von
Verordnungen, welche unter Androhung von Strafe gewisse Hand-
lungen gebieten oder verbieten, steht den mit Gerichtsbarkeit
ausgestatteten Konsuln ?° und die Befugnis zum Erlaß seepolizei-
licher Verordnungen über Beschaffenheit des Fahrwassers und
das Verhalten der Schiffe in den Kriegshäfen den Marinestations-
chefs 1% zu.
Eine allgemeine Befugnis zum Erlaß von Notverord-
nungen? kennt die Reichsverfassung nicht!?”. [Für die Dauer
68; Anschütz in der Enzykl. 165; Dambitsch, Komm. 221 ff. — Die Praxis
des Bundesrates und des Reichsgerichts neigt in neuester Zeit mehr der
strengeren Auslegung des Art. 7 Ziff. 2 zu, wonach es „zur gültigen Erlassung
von Rechtsverordnungen auch angesichts des Art, 7 Ziff. 2 RV einer
besonderen reichsgesetzlichen Ermächtigung bedürfe“: RG, IV. Zivilsenat,
Entsch. vom 25. Nov. 1897, RGZ 40 63, dazu Hubrich in den AnnDR 1904
733 N. 1, Reichsgericht 16ff., 24 ff., 60 ff., 76 ff. und, betr. der Bundesrats-
praxis, v. Jagemann, a. a. O. 94; weitere Nachweisungen bei Kahn, a. a. O.
(oben Anm. 10 a. E.)].
14 RV Art. 37,
15 RG über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 8 51. Vgl.
Rosin, Polizeiverordnungsrecht 220 ff.; Laband 2 101.
16 RG, betr. die Reichskriegshäfen, vom 19. Juni 1883 $ 2. Rosin,
a. a. O. 225.
a Vgl. oben 8 161.
1 (Val. z. B. Laband 2 90, 91; Arndt, Reichsstaatsr. 200. — Über diesen
Punkt herrschte bisher völlige Einigkeit, bis v. Jagemann, a. a. 0. 96 ff. die
Behauptung aufstellte, auch nach Reichsstaatsrecht sei der Erlaß von Not-
verordnungen mit provisorischer Gesetzeskraft, und zwar durch den Kaiser
unter Zustimmung des Bundesrates zulässig, insbesondere in dem Falle,
wenn der Reichs durch Obstruktion seiner jeweiligen Minorität „hand-
lungsunfähig“ werde. Die Begründung dieser These ist zunächst insofern
lückenhaft, als nicht gesagt ıst, warum das behauptete Verordnungsrecht
gerade dem Kaiser und Bundesrat gemeinsam und nicht z. B. dem Bundesrat
allein zustehen soll. Abgesehen hiervon erscheinen die Ausführungen
v. Jagemanns, a. a. O. 98 als politische Erwägungen, die der lex ferenda:
egenüber allenfalls am Platze sein möchten, für das Verständnis der lex:
ata aber ohne Belang sind. Die Teilung der gesetzgebenden Gewalt zwischen
Regierung und Parlament sei, so meint v. Jagemann, „nicht Selbstzweck“.
Gewiß nicht: diese Teilung, d. h. die Übertragung der gesetzgebenden Ge-