Die Funktionen. $ 169. 719
angelegenheiten erlassenen Reichsgesetze® durch Landesgesetze ge-
ändert und aufgehoben werden, außer denen, die sich die Kraft
eines gemeingültigen Reichsgesetzes ausdrücklich beilegenb.
vV. Die Gesetzgebung für die Schutzgebiete!.
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Das Recht der Gesetzgebung für die Schutzgebiete steht dem
Kaiser kraft seiner Schutzgewalt zu. In Ausübung dieser
Befugnis unterliegt der Kaiser nur denjenigen Beschränkungen,
welche ihm durch ausdrückliche Vorschriften der Reichsgesetze
gezogen sind. Die wesentlichste Beschränkung ist, daß das
bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gericht-
liche Verfahren, einschließlich der Gerichtsverfassung,
sich in den Schutzgebieten nach den Vorschriften des Konsular-
gerichtsbarkeitsgesetzes vom 7. April 1900 bestimmen?. Auf den-
jenigen Gebieten, welche durch diese Bestimmung nicht berührt
worden sind, also namentlich auf dem Gebiete der Verwaltung,
besitzt dagegen der Kaiser das unbeschränkte Gesetzgebungsrecht.
Doch bleibt es der Reichsgesetzgebung unbenommen, die kaiser-
lichen Gesetzgebungsbefugnisse im einzelnen Falle außer An-
wendung zu setzen und unmittelbar regelnd in die Rechtsverhält-
nisse der Schutzgebiete einzugreifen®.
Das ältere Konsulargerichtsbarkeitsgesetz vom
10. Juli 1879 ist seiner Zeit in den Schutzgebieten nicht kraft
unmittelbarer gesetzlicher Anordnung in Wirksamkeit getreten,
sondern bedurfte für jedes Schutzgebiet einer besonderen Ein-
führung durch kaiserliche Verordnung. Es fand an und für sich
auch in den Schutzgebieten nur auf Deutsche und auf Schutz-
genossen im Sinne der Konsulargesetze, d. h. auf Angehörige
solcher fremden Staaten Anwendung, welchen deutscher kon-
sularischer Schutz für den Fall zugesichert ist, daß sich ein
Konsularbeamter ihres Staates in dem betreffenden Bezirk nicht
& Beispiel: das Gesetz über die Wahlen zur zweiten Kammer des Land-
ungen für Lothringen vom 31. Mai 1911; vgl. oben 545; Laband, StB
2. i 2, Alfred Schulze, Verfassung und Wahlgesetz für Elsaß- Lothringen
, .
b Das bisher einzige Beispiel für diese Kategorie bildet das Verfassungs-
gesetz; vgl. oben im Text,
! Laband, StR 2 290 fl., 294 ff.; Sassen, Das Gesetzgebungs- und Ver-
ordnungsrecht in den deutschen Kolonien (1909); Backhaus, Das Verordnungs-
recht in den deutschen Kolonien (Heidelb. Diss. 1908, auch besonders
erschienen, 1909); v. Hoffmann, Einführung in das deutsche Kolonial-
recht .
2 SchGG $ 8: „In den Schutzgebieten gelten die im $ 19 des Gesetzes
über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Vorschriften der Beichs-
gesetze und preußischen Gesetze.“ Vgl. oben 8 141a S. 560 und Anm. g.
8 (4. Meyer, Die staatgrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete,
190; v. Stengel in den AnnDR 1895 657; Laband, StR 2 298.
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