62 Erster Teil. Erstes Buch. $ 19.
diese in Gaue und Gemeinden. Den Kern des Volkes bildeten
die freien Grundbesitzer; die Verfassung hatte einen vorwiegend
demokratischen Charakter, selbst da, wo erbliche Könige vor-
kamen. Erst nachdem in der Zeit der Völkerwanderung das
Königtum eine Macht an der Spitze des erobernden Stammes
geworden war, erhielt der Staat ein mehr monarchisches
Gepräge.
In dem Frankenreiche wurde nicht nur der größte Teil
der deutschen Stämme, sondern auch vielfache Elemente roma-
nischer Nationalität zu einer politischen Einheit zusammengefaßt.
Dasselbe war eine germanisch-romanische Universalmonarchie auf
christlicher Grundlage, eine Auffassung, welche in der Übertragung
der römischen Kaiserkrone auf Karl den Großen ihren formellen
Ausdruck erhielt, Zu groß jedoch, um auf die Dauer zusammen-
zuhalten, zerfiel es infolge der erbrechtlichen Grundsätze, welche
im fränkischen Königshause galten, und infolge der Schwäche der
späteren Herrscher in mehrere Teile. Durch den Vertrag von
Verdun (843) und die Absetzung Karls des Dicken (887) sonderte
sich der überwiegend germanische Osten von dem mehr roma-
nischen Westen. Aus dem Ostfrankenreich ging das deutsche
Reich hervor. Ä
Die höchste Gewalt im Frankenreiche repräsentierte der
König, der von einer ihn beratenden Versammlung der welt-
lichen und geistlichen Großen (Reichsversammlung, Reichstag)
umgeben war. Die Masse des Volkes bestand ursprünglich noch
aus freien Grundbesitzern. Diese befanden sich gegenüber dem
Könige in einem direkten Untertanenverhältnis, welches
sich namentlich in der allgemeinen Wehrpflicht und dem all-
gemeinen Treueid äußerte. Für die Zwecke der Regierung war
das fränkische Reich in Grafschaften oder Gaue eingeteilt,
an deren Spitze der Graf (comes, iudex, grafio), ein vom König
eingesetzter und absetzbarer Beamter, stand.
Diese Einrichtungen giugen vom fränkischen auf das deutsche
Reich über. Aber schon im Frankenreiche selbst hatten sich viel-
fache Elemente entwickelt, welche eine allmähliche Zersetzung
derselben herbeiführten. Mit der immer wachsenden Ungleichheit
des Grundbesitzes war eine Reihe von Abhängigkeitsver-
hältnissen entstanden. Schutzbedürftige und besitzlose Freie
begaben sich in den Schutz eines mächtigen Herrn oder ließen
sich auf dessen Grund und Boden ansiedeln und bezahlten dafür
Zinsen und Abgaben. So entstand die Klasse der Vogteileute
und Hintersassen. Andrerseits fingen die fränkischen Könige
an, die Großen dadurch an sich zu fesseln, daß sie [hierin dem
Vorgehen der Kirche folgend] ihnen Grundstücke zu einem zeit-
lich beschränkten: Nutzungsrecht in der Form eines Beneficium
verliehen. Auch die großen Grundherren nahmen derartige Ver-
gabungen vor. Gleichzeitig entwickelte sich die Vasallität,
d. h. ein durch Kommendation begründetes Treueverhältnis zum