Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

IV Vorwort. 
es erhob sich nun für Verfasser und Verleger dieses Werkes die 
Frage, ob nach .dem Untergange des bisherigen Staatsrechts die 
Weiterführung einer so umfassenden Darstellung dieses Staats- 
rechts, wie sie der „Meyer-Anschütz“ bietet, noch angezeigt sei. 
Diese Frage konnte nur bejaht werden. Ganz abgesehen von 
der historischen Bedeutung, welche dem vor unsern Augen zer- 
trümmerten Reichsbau, dem Deutschland der Bismarckzeit, für 
alle Zeiten auch dann innewohnen wird, wenn niemals wieder 
etwas ihm Gleiches oder Verwandtes aus dem Schutt von heut- 
zutage erstehen sollte, — niemand wird bestreiten, daß viele Ab- 
schnitte dieses Buches ihren seitherigen Wert in jedem Falle be- 
haupten werden. Dies gilt vor allem von der Darstellung der 
Grundbegriffe des Staatsrechts und von den Kapiteln, welche der 
ferneren staatsrechtlichen Vergangenheit Deutschlands gewidmet 
sind, ebenso aber auch von den Erörterungen über die zahlreichen 
Dinge, die aus dem alten in das neue Staatsrecht vorläufig un- 
verändert übernommen sind, wie Erwerb, Verlust und Inhalt der 
Staatsangehörigkeit, Grundrechte, Stellung der Fremden, Behörden- 
und Gemeindeorganisation, Beamtenrecht, Gesetz und Verordnung, 
Justiz und Verwaltung, Staatsverträge und vieles andere mehr. 
Und über dem allen: auch das neue Deutschland, das Kind des 
verlorenen Krieges und der Revolution, es wird nicht so neu sein, 
daß es jede Anknüipfung an das Gewesene, an die bisherige Reichs- 
verfassung, an den monarchisch-konstitutionellen Beamtenstaat des 
neunzehnten Jahrhunderts, an die Ideen von 1848 vermissen läßt. 
Wahrscheinlich werden solche Anknüpfungen und Zusammenhänge 
sogar in viel größerer Fülle vorhanden sein als revolutionärer 
Enthusiasmus es sich jetzt träumen läßt. Wenn dem aber so ist, 
dann wird mit dem in die neue Zeit hinübergenommenen alten 
Recht auch die Lehre von diesem Recht, die so hochentwickelte 
und fein durchgebildete deutsche Staatsrechtswissenschaft der 
letzten Jahrzehnte, ihre Bedeutung weiterhin behalten und man 
wird den „Meyer-Anschütz“ weiter brauchen können. 
Und so mag denn dieses Buch noch einmal hinausgehen, als 
eine letzte zeitgenössische Beschreibung des gesamten deutschen 
Staatswesens, so wie es vor der Umwälzung, in Reich und Einzel- 
staaten ausgesehen hat. Möge es den Nachlebenden Kunde bringen 
von der rechtlichen Gestaltung dieses Staatswesens und möge es, 
über diesen seinen nächsten rechtswissenschaftlichen Zweck hinaus 
die Erinnerung wach halten an eine Epoche deutschen Staatslebens, 
die unserm Volke mit der Erfüllung seines Einheitstraumes ein 
vordem von Vielen ersehntes,. von Wenigen für möglich gehaltenes 
Maß von Macht, Glück und Glanz gebracht hat. Die nach uns 
kommen, werden sagen können, ob diese Epoche in der deutschen 
Geschichte nur eine Episode war und ebenso müssen wir es ihrem 
Urteil überlassen, ob die Ergebnisse der Revolution von 1918 
gegenüber dem, was an politischer Freiheit und sozialer Gerechtig- 
keit im bisherigen Deutschen Reich schon vorhanden war, oder
	        
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