Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. 8 173. 741 
und zu befolgen haben, zumutet, die Legalität seiner Entstehung 
in allen ihren Stadien nachzuprüfen, daß diese Nachprüfung ja 
schon innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens durch das hiertür 
zuständige Staatsorgan, und zwar mit allgemein verbindlicher Kraft, 
bewirkt worden ist, so daß für eine nochmalige Prüfung durch 
die Instanzen und Einzelpersonen, welche das Gesetz anzuwenden 
bzw. zu befolgen haben, kein Raum bleibt. Es wird übersehen, 
daß die auf die Sanktion des Gesetzes folgende Ausfertigung 
desselben eine amtliche Beurkundung in sich schließt, welche die 
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes jeder Anzweiflung durch Be- 
hörden und Untertanen entrückt. Was bereits in anderem Zu- 
sammenhange (oben 665) bemerkt wurde, ist hier zu wiederholen: 
Ausfertigen heißt, mit öffentlichrechtlicher Wirksamkeit beurkunden, 
Durch den Akt der Gesetzesausfertigung wird, und zwar un- 
anfechtbar gegenüber allen denen, die das Gesetz zu befolgen 
und anzuwenden haben, beurkundet, daß das Gesetz wörtlich mit 
dem, was zwischen den gesetzzebenden Faktoren vereinbart wurde, 
übereinstimmt und daß die für die Initiative, Feststellung des 
Gesetzesinhalts, Sanktion und Ausfertigung maßgebenden Vor- 
schriften beobachtet worden sind. Diese Beurkundung begründet 
nicht etwa nur, wie manche zuzugestehen bereit sind&, eine prae- 
sumtio iuris, eine widerlegbare, sondern eine seitens derer, die 
das Gesetz anzuwenden haben, unwiderlegbare Vermutung, 
eine praesumtio iuris et de iure für die Legalität des Zustande- 
kommens der gesetzgeberischen Willensäußerung ebenso wie für 
die Echtheit (Authentizität) des Gesetzestextes. Und zwar ist die 
ausgefertigte Gesetzesurkunde für die Gesetzesanwendung maß- 
gebend in Gestalt nicht ihrer Urschrift, sondern ihres Abdrucks 
in dem amtlichen Verkündigungsorgan: „das Gesetz“, 
dem nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und gemäß GVG 
8 1 der Richter zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet („unter- 
worfen“) ist, ist der im Gesetzblatt verkündigte Text desselben. 
Zu der soeben erwähnten Rechtsvermutung gesellt sich also, wie 
man sieht, eine zweite, ihr an Wirksamkeit und Beweiskraft gleich- 
stehende: der im Gesetzblatt. publizierte Text gilt für jeden, den 
er angeht ((ierichte, andere Staatsbehörden, Privatpersonen) als 
getreue Wiedergabe der Originalurkunde des Gesetzes, — er gilt 
als ‚acht, bis er etwa von den zuständigen Instanzen berichtigt 
wird. 
Hierdurch ist ein richterliches Prüfungsrecht der Art und in 
dem Umfange, wie es von der früher vorherrschenden Meinung 
behauptet wurde, ausgeschlossen. Insbesondere ist die Frage, ob 
der verkündigte Wortlaut des Gesetzes überall mit dem, was als 
sein Inhalt zwischen Regierung und Volksvertretung vereinbart 
  
k So Gneist, Verhandl. d. IV. Juristentages 1 232; v. Gerber, Grund- 
züge $ 49, 155 ff.; Schulze, Preuß, StR 2 243ff.; v. Sarwey, Württemb. StR 
2 100 Anm. 8, 101 Anm. 5. Dagegen: Laband, StR 2 46, 47. 
I Vgl. oben 666, 667 Anm. g, 687, 688; v. Roenne-Zorn, Preuß. StG. 8 54. 
. 48*
	        
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