Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 176. 755 
Der Begriff der Polizei bestimmt sich nach dem Richtmaß 
seiner geschichtlichen Entwicklung; er ist zu nehmen wie er ge- 
worden ist. Er ist geworden, indem die Polizei von sich geschieden 
hat: 1. alles was nicht Verwaltung, 2. was nicht innere Verwaltung, 
3. was nicht Sicherheitspflege (Gefahrenabwehr), sondern Wohlfahrts- 
pflege ist. Nach ihrem geschichtlichen Werdegang ist die Polizei 
ein Teil der inneren Verwaltung, und wiederum innerhalb 
des Wirkungskreises der inneren Verwaltung ist die Aufgabe der 
Polizei beschränkt auf Sicherheitsschutz, Ordnungsbewalhrung, 
Gefahrenabwehr. Die Polizei ist derjenige Teil der 
inneren Verwaltung, welcher zum Gegenstande hat 
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit 
und Ordnung und die Abwehr von Gefahren, welche 
dem Gemeinwesen und dem Einzelnen drohen. Dieser 
Begriff ist ein Rechtsbegriff. Seine Grenzen bedeuten Rechts- 
schranken der Polizeigewalt gegenüber der Freiheit und dem 
Eigentum der Einzelnen. 
Die Polizei ist eine Staatstätigkeit, welche durch ihren Inhalt 
und Zweck gekennzeichnet ist, nicht durch ihre Form. Dem- 
entgegen wird vielfach behauptet, daß das Wesen der Polizei doch 
durch ein formales Moment bestimmt sei, nämlich durch das 
Moment des Zwangs: Polizei sei die innere Verwaltung, soweit 
sie sich durch Beschränkung der persönlichen Freiheit, durch An- 
wendung von Zwang äußert, „der Zwang auf dem Gebicte der 
inneren Verwaltungg“. Diese Begriffsbestimmung ist unzutreffend. 
Ihr steht insbesondere die geschichtliche Entwicklung des Begriffs 
entgegen. Die naturrechtliche Theorie, welche dieser Entwicklung 
ibre letzte ltichtung und damit dem Begriff der Polizei seine heutige 
Gestalt gegeben hath, legte entscheidendes Gewicht auf ein mate- 
rielles Moment: Sicherheitsbewahrung, Gefahrenabwehr im Gegen- 
— num —_—- 
Fischers Ztschr. für Praxis und Gesetzgebung der Verwaltung 85 111 fl.), 
Württemberg (Bazille, Württ. Ztschr. f. echtspfl. u. Verwaltung 1:09 224), 
Oldenburg, Weimar (vgl. die oben Anm. a am Ende zit. Urteile des oldenb, 
u. des thüring. OVG). 
t Für diese Grenzziehung liefert die Rechtsprechung der Verwaltungs- 
gerichte eine reichhaltige und interessante Kasuistik. Vgl. Friedrichs Polizei- 
gesetz 8ff., Anschütz, Die Polizei 13 ff., Fleiner, Instit. 369 ff, W. Jellinek 
8. a, O. 201-359. 
& Bluntschli, Allgem. StR 276; Laband 8 207; Loening, VerwR 8 (später 
jedoch, vgl. Handwörterb. d. Staatswissensch. 6 1064, anders); Rosin, l’olizei- 
verordnR 130 ff. und WStVR 3 99. Dieser Auflassung folgte auch G. Meyer, 
vgl. Voraufl. 644 und G. Meyer-Dochow 7, 8; in modifizierter Gestalt ver- 
treten sie Schoen, Enzykl. 207, Thoma a. a. O0. 38. Wie im Text dagegen 
L. v. Stein, Verwaltungslehre, 4. Teil 1 3, Polizeirecht (1867) 8. 3; Loenin 
nach „seiner späteren Ansicht (s. 0); O. Mayer, VR (2. Aufl.) 1 217 un 
ArchÖffR 18 280; v. Seydel, Bayer. StR. (Neubearbeitung v. Grassmann) 
2 218; Fleiner, Instit. 361 ff., 369 ft.; Anschütz, Die Polizei 12, 13; Bornhak, 
VerwArch 5 141ff.: Schade, ArchÖffR 25 324 u. a. . 
h Vgl. oben 753 und den in Anm. 6 zitierten Ausspruch Pütters, dazu 
Anschütz a. a. 0. 7f. 
Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. IIT. 7. Aufl. 49
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.