Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. '$ 181. 777 
auch eine Entscheidung durch den obersten Verwaltungsgerichts- 
hof!! oder durch das Reichsgericht!? vor. 
Man unterscheidet positiven und negativen Kompetenz- 
konflikt und spricht von ersterem da, wo sowohl Gerichte als 
Verwaltungsbehörden die Kompetenz für sich in Anspruch nehmen, 
von letzterem da, wo beide dieselbe ablehnen. Ein positiver 
Kompetenzkonflikt entsteht, wenn jemand eine Sache bei Gericht 
anhängig macht und die Verwaltung der Ansicht ist, daß dieselbe 
zu ihrem Ressort gehöre. Sie erklärt dies durch „Erhebung des 
Kompetenzkonfliktes“, wozu regelmäßig nur die zentralen und 
höheren Verwaltungsbehörden befugt sind. Auf geschehene An- 
zeige hin hat das Gericht das Verfahren einzustellen und die 
Entscheidung des Kompetenzgerichtshofes abzuwarten. Die Er- 
hebung des Kompetenzkonfliktes ist ausgeschlossen, wenn ein 
Gericht sich rechtskräftig für zuständig erklärt hat. Beim nega- 
tiven Kompetenzkonflikt erfolgt die Entscheidung des Kom- 
petenzgerichtshofes auf Anrufen der beteiligten Partei. Die Be- 
stimmungen der Landesgesetzgebungen über die Entscheidung der 
Kompetenzkonflikte finden auch gegenüber dem Reichsgericht An- 
wendung!® [soweit nicht die Landesgesetze ein anderes be- 
stimmen 1]. 
11 Hess, AusfG. zum RGVG vom 3. September 1878 Art. 8. 
132 Brem. G., betr. die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den 
Gerichten und den Verwaltungsbehörden über die Zulässigkeit des Rechts- 
weges vom 25. Juni 1879. Kais. V. vom 26. Sept. 1879 (v8 . oben Anm. 9). 
13 Dies bestreitet Wach, Handbuch des Zivilprozesses I 102 ff. mit Rück- 
sicht auf die allgemein in der gesamten Reichsjustizgesetzgebung festgehaltene 
Stellung des obersten Gerichtshofes. [Ebenso Rassow in den Beiträgen zur 
Erläuterung des Deutschen Rechts 48 796 ff.; Laband, StR, 4. Aufl. 8 364 
Anm. 1, 5. Aufl. 3 3887 Anm. 1. Arndt, Komm. z. Preuß. Verf. $. 307. — 
Diese alle im Anschluß an die Judikatur des Beichsgerichts, bes. den 
Plenarbeschluß vom 22. Mai 1901. Entsch. in Zivils. 48 195; vgl. aber auch 
schon Entsch. in Zivils. 44 4, 378.] Da aber nach 5 17 des RGVG die Ent- 
scheidung der Kompetenzgerichtshöfe nur ausgeschlossen ist, wenn durch 
rechtskräftiges Urteil die Zulässigkeit des Rechtsweges feststeht, 
so muß sowohl der positive Kompetenzkonflikt bei Verhandlungen in der 
Revisionsinstanz, als der negative bei rechtskräftigem Urteil auf 
Unzulässigkeit des Rechtsweges für anwendbar erachtet werden. 
[Übereinstimmend mit der hier vertretenen Ansicht: Loening im VerwArch 
162 ff.; Lukas in der DJZ 1901 53 ff.; Stölzel, Rechtsweg und Kompetenz- 
konflikt in Preußen 855 ff., 387 ff. und im PrVerwBl 28 449; O. Mayer, VR 
(2. Aufl) 1 187 Anm. 19. Das Reichsgericht stützt seine abweichende, 
mit besonderer Schärfe in dem oben angezogenen Plenarbeschluß vom 22. Mai 
1901 vertretene Meinung, wonach weder der negative noch der positive 
Kompetenzkonflikt erhoben werden darf, wenn die Unzulässigkeit des Rechts- 
wegs durch das Reichsgericht ausgesprochen bzw. der Rechtsstreit bei dem 
Reichsgerichte anhängig ist, im wesentlichen darauf, daß zu den im $ 17 
Abs. 2 genannten „Gerichten“, worunter nur die Landesgerichte zu ver- 
stehen seien, das Reichsgericht nicht gehöre, daß die Rechtsprechung des 
Reichsgerichts Ausfluß einer den Einzelstaaten übergeordneten Justizhoheit 
sei und daß daher eine das Reichsgericht hemmende oder bindende Ent- 
scheidung von einer Landesinstanz (d.h. von partikularen Kompetenzgerichts- 
höfen) nicht erlassen werden könne. Mit diesem Urteil trat das Reichs-
	        
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