794 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 188.
Dieser Grundsatz des gemeinen Rechts gilt auch jetzt noch in
den meisten (freilich nicht den größten) deutschen Staaten. Das
strafrechtliche Verfahren kann allerdings nach heutigem Prozeß-
recht nur von der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden und ist
insofern von dem jeweiligen Ministerium abhängig. Doch steht
den Bestimmungen der R. St. Pr. O. (88 169 ff.) gemäß dem Ver-
letzten die Befugnis zu, gegen die Ablehnung der Erhebung der
Anklage seitens der Staatsanwaltschaft an das Gericht zu re-
kurrieren. Dagegen ist jeder Private, welcher sich durch gesetr-
widrige Handlungen eines Beamten in seinen Vermögensrechten
verletzt glaubt, befugt, eine zivilrechtliche Klage auf Schadensersatz
gögen denselben anzustellen (vgl. oben $ 149)..
Im Gegensatz zu diesen Grundsätzen des gemeinen Rechtes
hatte aber eine Reihe von Landesgesetzgebungen die Ver-
folgung von Beamten, namentlich von Verwaltungsbeamten nur
unter Beschränkungen zugelassen. Die Beschränkungen waren
in selteneren Fällen materieller*, in der Regel formeller
Natur. Die letzteren schlossen sich an das französische Recht
an; sie machten die gerichtliche Verfolgung entweder von einer
Ermächtigung der vorgesetzten Behörde (oder des Staatsrates)
abhängig ® oder sie legten derselben die Befugnis bei, im Falle
eines gerichtlichen Verfahrens gegen einen Beamten den Kom-
etenzkonflikt zu erheben und die Frage dadurch zur Entscheidung
es Kompetenzgerichtshofes zu bringen ®.
* Materieller Natur ist die Bestimmung des „preußischen Rechts, nach
welcher wegen einer polizeilichen Verfügung der Rechtsweg behufs Geltend-
machung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des betreffenden Beamten
vom Einzelnen erst dann beschritten werden darf, wenn die Verfügung im
Wege der Beschwerde als gesetzwidrig oder unzulässig aufgehoben ist (G.
über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Ver-
fügungen vom 11. Mai 1842 8 6; Wortlaut: „Wird eine polizeiliche Ver-
fügung im Wege der Beschwerde als gesetzwidrig oder unzulässig auf-
gehoben, so bleiben dem Beteiligten seine Gerechteame nach den allgemeinen
gesetzlichen Bestimmungen über die Vertretungsverbindlichkeit der Beamten
vorbehalten.“ Dazu LVG 8 131: „Der $ 6 des Gesetzes vom 11. Mai 1842
findet auch Anwendung, wenn eine polizeiliche Verfügung im Verwaltungs-
streitverfahren durch rechtskräftiges Endurteil aufgehoben worden ist.“)
6 Dahingehende Vorschriften bestanden insbesondere in der bayerischen
Pfalz; vgl. v. Seydel-Piloty, Bayer. StR 1 428, 429.
© Diese Einrichtung hestand in Preußen. Hier sollten nach $ 47 der
V. vom 26. Dez. 1808 Untersuchungen gegen Verwaltungsbeamte („Regie-
rungsoffizianten“) wegen Amtsvergehen nur auf Antrag der Regierung ein-
geleitet werden (vgl. Loening, Gerichte und Verwaltungsbehörden 238), Den-
selben Grundsatz in Ausdehnung auf alle Beamten sprach das G. vom
29. März 1844 aus (Loenin 40) Nachdem durch Art. 97. der Verf. die
vorgängige Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde bei Verfolgung
von Beamten ausgeschlossen war, wurde durch G. vom 18. Febr. 1 d
jetzige Verfahren eingeführt, das zwar mit dem Wortlaut, aber nicht mit
der gesetzgeberischen Absicht des Art. 97 der Verf. vereinbar ist. Die Vor-
schriften des Gesetzes beziehen sich, wie & selbst ($ 7 Nr. 1) ausdrücklich
bestimmt, nur auf Verwaltungsbeamte. Über das G. vom 13, Febr. 1854
vgl. Loening a. a. O. 242f., die oben N, 1 angegebenen Schriften von