798 Zweiter Teil. Drittes Buch, $ 184.
Die gerichtliche Verfolgung von Reichsbeamten ist weder
an das Erfordernis einer Vorentscheidung über die Frage der
Amtspflichtverletzung noch an sonstige „besondere Voraussetzungen“
gebunden].
b) Die Verantwortlichkeit der obersten Verwaltungsbeamten
(Minister)!.
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Die Minister, d. h. diejenigen höchsten Beamten, welche
an der Spitze eines Verwaltungszweiges stehen und mit dem Recht
der Kontrasignatur ausgestattet sind (vgl. oben S.276—278, 527 ff.)
werden durch die neueren Verfassungen einer besonderen Ver-
antwortlichkeit unterworfen, zu deren Geltendmachung die Volks-
vertretung berufen ist. -
Man unterscheidet rechtliche und politische (parlamen-
bestimmt wird, daß bei dem Gericht erst dann geklagt werden kann, wenn
der schadenstiftende Verwaltungsakt im Verwaltungswege aufgehoben worden
ist. Allein diese Beweisführung geht fehl. Allerdings ist (vgl. oben $180 Anm. 10)
die Landesgesetzgebung berechtigt, in bürgerlichen. Rechtsstreitigkeiten den
Rechtsweg auszuschließen, aber nur, soweit nicht zwingende Vorschriften
des Reichsrechts entgegenstehen. Eine solche zwingende Vorschrift ist $ 11
EGVG. Wenn diese Vorschrift schon nicht gestattet, die Beschreitung des
Rechtswegs gegen Beamte von der vorgängigen Erlaubnis einer Verwaltungs-
instanz abh Big zu machen, so verbietet er erst recht, den Rechtsw
schlechthin und bedingungslos zu sperren (übereinstimmend Piloty bei
v. Seydel-Filoty, Degen. StR 1 437). Den Rechtsweg für Schadensersatz-
klagen aus $ 839 BGB gegen den Staat auszuschließen, wäre die Landes-
esetzgebung übrigens auch durch $ 4 EG z. ZPO (oben $ 180 S. 769 und
Anm. I) das. gehindert. Vgl. O. Mayer, VR 8 Aufl.) 1 207.
I Freund a. a. O. 391ff.; Grevenhorst in WStVR 2 608; OVG 11 408 ££,;
A.M. Thbudichum, AnnDR 1885 640.
i Benjamin Constant, De la responsabilit& des ministres, Paris 1815;
Buddeus, Die Ministerverantwortlichkeit in konstitutionellen Monarchien,
Leipzig 1833; R, Mobl, Die Verantwortlichkeit der Minister in Einherr-
schaften mit Volksvertretung, Tübingen 1837 (das. S.88ff. auch die ältere
Literatur); H. Bischof, Ministerverantwortlichkeit und Staatsgerichtshöfe
in Deutschland, Archiv für öffentliches Recht des deutschen Bundes 8 H. 2
S. 1ff.; Kerchove de Denterghem, De la responsabilite des ministres dans
le droit public beige, 2, &dit., Bruxelles 1847; A. Damuely, das Prinzip der
Ministerverantwortlichkeit in der konstitutionellen Monarchie; Konst. Rößler,
Studien zur Fortbildung der preußischen Verfassung Abt. II S. 36ff.;
(Geffcken), Die Reform der preußischen Verfassung 230 ff.; Fr. Oetker, Rechts-
staat und Ministerverantwortlichkeit, Augsburger Allgemeine Zeitung 1872
Beilage Nr. 33; F. Haucke, Die Lehre von der Ministerverantwortlichkeit,
Wien 1880; John, Art. „Ministerverantwortlichkeit“ in v. Holtzendorffs Rechts-
lexikon 2 776 ff.; F. Thudichum, Die Ministeranklage nach geltendem deutschen
Recht, AnnDR 1885 637 ff.; Brie im WStVR 2 884 ff.; v. Seydel-Piloty, Bayer.
StR 1 85 71—74; Th. Pistorius, Die Staatsgerichtshöfe und die Minister-
verantwortlichkeit nach heutigem deutschen Staatsrecht, Tübingen 1891;
A. Lutz, Ministerverantwortlichkeit und Staafsgerichtshöfe;; Rehm, Staats-
lehre 325f., 344ff.; v. Frisch, Die Verantwortlichkeit des Monarchen und
höchsten Magistrate (1904); R. Passow, Das Wesen der Minısterverantwort-
lichkeit in Deutschland (1904); Frhr. Marschall v. Bieberstein, Verantwort-
lichkeit u. Gegenzeichnung bei Anordnungen des obersten Kriegsherrn (1911).