Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

804 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 185. 
worden. Nur soweit dieselbe ausnahmsweise den Zwecken einer 
strafprozesaualischen Verfolgung, nämlich der Bestrafung von Amts- 
und gemeinen Verbrechen dient, hat eine Einwirkung stattgefunden. 
Insbesondere ist die diesbezügliche Zuständigkeit der Staatsgerichts, 
höfe auf die ordentlichen Gerichte [und das Anklagerecht der 
Volksvertretung auf die Staatsanwaltschaft] übergegangen *®, 
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Die näheren Bestimmungen der deutschen Verfassungen 
und Gesetze über die Ministeranklage sind folgende: 
Der Anklage unterliegen regelmäßig nur die Minrster,d.h. 
diejenigen höchsten Staatsbeamten, welche an der Spitze eines 
Verwaltungszweiges stehen und mit dem Amt der Gegenzeichnung 
betraut sind, einerlei ob sie den Titel „Minister“ führen oder nicht!. 
Mitunter ist die Möglichkeit, angeklagt zu werden, auch auf andere 
Beamte ausgedehnt, welche durch eine selbständige Verfügung Be- 
stimmungen der Verfassung verletzt haben ?, 
Ankläger ist da, wo Einkammersystem besteht, der Land- 
tag. In den Staaten mit Zweikammersystem wird zu einer An- 
klage entweder ein übereinstimmender Beschluß beider Kammern 
gefordert? oder das Recht derselben steht jeder der beiden Kam- 
mern zu* oder es ist lediglich der zweiten vorbehalten®, Ver- 
einzelt ist auch dem Monarchen das Recht eingeräumt worden, 
aus eigenem Antrieb eine Untersuchung gegen einen Minister beim 
Staatsgerichtshofe anzuordnen®,. 
‚ Als Richter fungiert in einigen Staaten das Oberlandes- 
gericht”, in anderen ein besonderer Staatsgerichtshof, 
s3 Vgl. darüber Thudichum a. a. O. 643 ff.; Pistorius a. a. O. 155 ff. 
ı Preuß. Verf, Art. 61, Bayer. G. vom 4. Juni 1848 Art. 9, Sächs. Verf. 
141, Bad. G. vom 20. Febr. 1868 Art. IV 8 675, 8.-Weim. RGG $ 51 
chw.-Sondh. LGG $ 57, Schw.-Rud. GG $ 6, Reuß j L. StGG 8$ 107 und 
108. In Schaumburg-Lippe, wo ein eigentliches inisterialsystem nicht 
existiert, erfolgt die Kontrasignatur durch ein Mitglied der Regierung. Dieses 
übernimmt damit die Verantwortlichkeit und unterliegt der Anklage durch 
den Landtag (G. vom 2. Jan. 1849 Art, 2, 9). 
2 Württ. Verf. 88 53 u. 199, 8.-Mein. GG S$ 88, 8.-Kob.-Gotha StGG 
8 163, Braunschw. NLO 8 108, Old. StGG Art. 208. 
8 Bayer. Verf. Tit. X $ 6, Sächs. Verf. $ 141, Hess. @. über die Ver- 
antwortlichkeit der Minister und obersten Staatsbeamten vom 5. Juli 1821 
Art. 4. [Die von den beiden Kammern des hessischen Land zu erhebende 
Ministeranklage ist keine Anklage im strengen prozessualen Sinne, vielmehr 
nur ein an den Landesherrn gerichteter Antrag, den betreffenden Minister 
in Anklagezustand zu versetzen“, vgl. van Calker, Hess. StR 74. Aller- 
dings ist der Landesherr rechtlich verpflichtet, dem Antrage, falls er form- 
gerecht gestellt wird, zu entsprechen, und zwar „möglichst bald“ (Min. Ver- 
antw. Ges. vom 5. Juli 1821, Art. 4 Abs. 2), indessen ist ihm hierfür keine 
bestimmte Frist gesetzt worden]. 
* Preuß. Verf. Art. 61, Württ. Verf. S 179. 
8 Bad. G. vom 20. Febr. 1868 Art. IV 8 67a. 
© Hess, G. vom 5. Juli 1821 Art. 4, Wald. G. vom 4. Juni 1850 Art. 8. 
? Hess. G. vom 5. Juli 1821 Art. 3 u. 5, G. vom 8. Jan. 1824, AusfG.
	        
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