Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

820 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 191. 
Mitwirkung der gesetzgebenden Organe eintreten, wenn dieselben 
Änderungen in der Gesetzgebung oder finanzielle Bewilligungen er- 
forderten. Aber es braucht weder eine Vorlegung des Friedens- 
schlusses im Wortlaut noch eine Vorlegung desselben vor dem 
Abschluß stattzufinden. Vielmehr genügte eine nachherige Be- 
teiligung von Bundesrat und Reichstag beim Erlaß der Ausführungs- 
gesetze!”, Vgl. aber nunmehr das Ges. vom 28. Oktober 1918 
(RGBI 1274) 17a. 
Die Publikation der völkerrechtlichen Verträge des Reiches 
erfolgt im Anschluß an die preußische. Praxis (oben S. 315) durch 
einfache Veröffentlichung [der von den Bevollmächtigten unter- 
zeichneten Punktation, nicht der Ratifikationsurkunde] im Reichs- 
gesetzblatt !®, 
Drittes Kapitel. 
Die Verwaltung der inneren Angelegenheiten. 
S 191. 
3 
Unter dem Begriff der inneren Verwaltung faßt man 
die gesamte Staatstätigkeit zusammen, welche auf die Förderung 
der Volksinteressen gerichtet ist. Als Sachgebiete der inneren 
Verwaltung erscheinen: das persönliche Leben, die geistige 
Entwicklung und die wirtschaftlichen Verhältnisse. 
Die Tätigkeiten der inneren Verwaltung zerfallen in zwei 
2 807 ff.. Preußisches Staatsrecht (4. Aufl.) 1 708; E. Meier a. a. O. 305 ff. ; 
Prestele a. a. O. 77ff.; H. Schulze a. a. O. 332; Haenel, Deutsches Staats- 
recht 1 546; Fischer, Das Recht des deutschen Kaisers 136; Sieskind, Be- 
dingungen und Formen, unter deuen der Umfang des Reiches erweitert und 
eingeengt werden kann, 23; Rieß a. a. O. 79, 80; Dambitsch a. a. O. 281. 
Anderer Ansicht für die Gleichstellung der Friedensverträge mit anderen 
Staatsverträgen): Laband 2 161 Anm. 3; Hiersemenzel zu Art. 11 Nr. IL 6; 
Thudichum, Verfassungsrecht 93, 254; Westerkamp 43; Seydel zu Art. 11 
Nr. V; Proebst a. a. O. 8l4fl.; Tinsch a. a. O. 13; Zorm, Staatsrecht 1 511. 
Im ersten Absatz des Art. 11 heißt es: „Der Kaiser hat das Reich völker- 
rechtlich zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und Frieden 
zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten ein- 
zugehen usw.“ Aus diesem Wortlaut ergibt sich, daß die Reichsverfassung 
Vertragsschluß und Friedensschluß als völkerrechtliche Funktionen ver- 
schiedener Art behandelt, die für die erstere Funktion geltenden Grund- 
sätze daher nicht ohne weiteres auf die letztere ausgedehnt wissen will. 
Auch die Bestimmungen des Art. 48 der preußischen Verfassung, welcher 
nachweislich dem Art. 11 der RVerf. zum Vorbilde gedieut hat, weisen auf 
eine abweichende Behandlung der Friedensverträge hin, Dieselbe recht- 
fertigt sich durch die eigentümliche Natur der Friedensschlüsse, welche 
eine vorherige Vorlegung meist nicht gestatten wird. 
1? Diesen Grundsätzen entsprechend ist auch beim Friedensschluß mit 
Frankreich im Jahre 1871 verfahren worden; vgl. Rieß S. 80. 
1a Vgl. den Nachtrag. 
18 Laband 2 163, 164; Triepel, Völkerrecht und Landesrecht 389 ff. 
berechtigte Kritik der preußisch-deutschen Praxis]. — Über die Anwend- 
arkeit der vom Reiche abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge auf die 
Schutzgebiete vgl. G. Meyer, die staatsrechtliche Stellung der deutschen 
Schutzgebiese 210 fl.
	        
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