Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

822 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 1%. 
Fällen haben die Gemeinde- bzw. Polizeibehörden das Recht be- 
halten, jemand den Aufenthalt an bestimmten Orten anzuweisen 
oder zu untersagen. 
Die Armenunterstützung war im Mittelalter sum Teil 
Sache der Kirche, zum Teil der Gemeinden, Gilden und Innungen. 
Seit der Reformation beginnt dieselbe allgemein ein Gegenstand 
der Gemeindetätigkeit zu werden. Schon im sechzehnten Jahr- 
hundert bestimmten verschiedene Reichsgesetze, daß jede Gemeinde 
ihre Armen selbst ernähren und unterhalten solle. Dasselbe ord- 
neten in dieser Zeit einzelne Landesgesetze an. Eingehender be- 
schäftigte sich die Landesgesetzgebung seit dem dreißigjährigen 
Kriege infolge des überhandnehmenden Bettels mit dem Armen- 
wesen. Die Pflicht zur Armenunterstützung blieb auch jetzt eine 
Gemeindelast. * Doch fand erst seit Ende des achtzehnten oder 
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts eine genauere Regelung 
derselben statt. In dieser Beziehung waren zwei Systeme zu unter- 
scheiden. Nach den meisten deutschen Gesetzgebungen beruhte 
die Pflicht zur Armenunterstützung auf dem Heimatsrecht, 
welches durch Geburt, Verehelichung und Verleihung seitens der 
Gemeindeorgane erworben wurde. Die preußische Gesetzgebung 
dagegen ließ dieselbe beim Vorhandensein gewisser gesetzlicher 
Voraussetzungen schon durch den bloßen Wohnsitz entstehen. 
Das letztere System ist durch das Reichsgesetz über den Unter- 
stützungswohnsitz auf ganz Deutschland ausgedehnt worden. Als 
Organe der öffentlichen Unterstützung Hilfsbedürftiger erscheinen 
die Orts- und Landarmenverbände; erstere bestehen aus einer 
oder mehreren Gemeinden, letztere aus den Einzelstaaten oder 
weiteren Kommunalverbänden. 
Dem Bereiche des Heimats- und Niederlassungsrechtes gehört 
auch das Verehelichungswesen, d.h. diejenige Tätigkeit, 
der Verwaltungsbehörden an, welche die Abschließung von Ehen 
im öffentlichen Interesse überwacht und beschränkt. Nach älterem 
Recht war die Abschließung von Ehen meist von einer besonderen 
Erlaubnis der Polizei- und Gemeindebehörden abhängig. Nach- 
dem diese Bestimmungen durch die Reichsgesetzgebung für Reichs- 
angehörige beseitigt sind, haben die betreffenden Verwaltungs- 
funktionen ihre Bedeutung wesentlich verloren und nur noch für 
Ausländer eine solche in beschränktem Umfange bewahrt®, 
3. Die Beziehungen der Personen zu Staat und Reich finden 
in dem Rechtsverhältnis der Reichs- und Staatsangehörig- 
keit ihren Ausdruck. Gegenstand der Verwaltungstätigkeit bildet 
das Rechtsverhältnis der Reichs- und Staatsangehörigkeit nur in- 
8 Auf Bayern finden die reichsgesetzlichen Bestimmungen keine An- 
wendung. Es gilt jedoch in der bayrischen Pfalz ebenfalls der Grundsatz 
der Verehelichungstreiheit. Nur im rechtsrheinischen Bayern ist aus ge- 
wissen gesetzlich fixierten Gründen ein Einspruch der Behörden gegen eine 
beabsichtigte Verehelichung zulässig.
	        
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