Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

.842 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 196. 
sondern sie ist zwischen ihm und den Einzelstaaten verteilt. Wie diese 
Verteilung bewirkt ist, das ist die eigentliche staatsrechtliche Grundfrage 
des deutschen Heereswesens, eine Frage, hinter der das Problem, wie das 
Heer juristisch-konstruktiv aufzufassen und demgemäß zu bezeichnen ist 
— Kontingents- oder Einheitsheer — an praktischer Bedeutung zurücktritt®, 
- Die Verteilung der Militärhoheitsrechte zwischen Reich und 
Einzelstaaten gestaltet sich in ihren Grundzügen wie folgt: 
I. Militärhoheitsrechte des Reichs. 
1. Daß das oberste aller Militärhoheitsrechte, das Recht auf 
Verwendung des Heeres zum Zwecke der Kriegführung, das Recht 
über Krieg und Frieden dem Reiche ausschließlich zu- 
steht, sagt die RVerf nicht ausdrücklich®, es ist das aber selbst- 
verständlich und auch unbestritten. 
2. Gleichfalls ausschließlich steht dem Reiche die Gesetz- 
gebungshoheit in allen militärischen Angelegenheiten zu. Es 
folgt dies auch aus Art. 61 RVerf. Vgl. unten $ 200. 
3. Eine weitere Gruppe militärischer Hoheitsrechte vereinigt 
sich nach der RVerf in der Hand des Kaisers und läßt sich, da 
sie dessen Stellung als Oberster Kriegsherr der deutschen Wehr- 
macht im traditionellen Sinne jenes Wortes bedingt, zusammen- 
fassend bezeichnen als Kriegsherrlichkeit des Kaisers. 
Die hierhergehörigen Machtbefugnisse sind unter sich, ihrer recht- 
lichen Natur nach, verschieden. Sie liegen teils auf dem Gebiete 
der unmittelbaren Vollziehung, teils auf dem der Beaufsichtigung, 
der Reichsaufsicht über einzelstaatliche Tätigkeit. 
Soweit ersteres der Fall, handelt es sich größtenteils um 
Funktionen der Heeresleitung!®, seltener um solche der 
Militärverwaltung. Unter Militärverwaltung versteht man 
die Herstellung und Beschaffung der für die militärische Aktion 
erforderlichen Vorbedingungen und Mittel — z. B. Aushebung der 
Mannschaften, Anstellung der Offiziere und Unteroffiziere, Her- 
stellung und Beschaffung von Waffen, Schießbedarf, Übungsplätzen, 
Erbauung von Festungen und Kasernen —; unter Heeresleitung 
die Entfaltung dieser Aktion selbst, sowie alle Tätigkeiten, welche 
erforderlich sind, um die bewaffnete Macht auf ihre Verwendung 
vorzubereiten. Oder anders ausgedrückt: Heeresleitung ist der 
Inbegriff aller „leitenden“, also anordnenden Tätigkeiten, welche 
sich unmittelbar auf die Erziehung!! und Verwendung der be- 
8 Gleicher Ansicht in diesem Punkte: Dambitsch a. a. O. 601; Mar- 
schall v. Bieberstein a. a. O. 576; Triepel, Reichsaufsicht 220. 
® Anders die RV von 1849, $ 10. — Daß nur das Reich, nicht auch 
der Einzelstaat Krieg führen kann, ergibt sich durch Gegenteilsschluß aus 
Art. 66 Abs. 2 der heutigen RVerf., wo den Einzelstaaten das Recht: ver- 
liehen ist, über die bewaffnete Macht zu „Polizeilichen Zwecken“ — also 
zu keinen anderen — zu! verfügen (vgl. auch Arndt, Staatsr. 486, Triepel, 
Reichsaufsicht 225) sowie aus Ärt. 63 Abs. 4, wonach nur der Kaiser die 
kriegsbereite Aufstellung des Heeres anordnen kann. . 
10 Dieser Ausdruck wird hier in demselben Sinne gebraucht wie bei 
Triepel a. a. O. 222 ff. 
11 In der Heeresleitung ist also die militärische Erziehungsgewalt ein-
	        
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