Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 196. 843 
waffneten Macht beziehen. Das oberste der zur Heeresleitun 
gehörigen Reichshoheitsrechte, zugleich wohl das bedeutsamste un 
Bewaltigste Stück der Reichsmilitärhoheit überhaupt, ist die dem 
aiser durch Art. 63 Abs. 1 RVerf. übertragene Befehlsgewalt. 
„Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer 
bilden, welches im Krieg und Frieden unter dem Befehle des 
Kaisers steht.“ Vermöge dieser in Kriegs- wie in Friedenszeiten !? 
wirksamen obersten Befehls-- oder Kommandogewalt kann der 
Kaiser alle Anordnungen erlassen, welche dem Zwecke dienen, 
die bewaffnete Macht zu ihrem Beruf zu erziehen und sie im 
Dienste dieses Berufs zu verwenden. Diese Gewalt ist in ihrem 
sachlichen Arwendungsbereich die oberste Gewalt, der Kaiser 
ist Höchstkommandierender des deutschen Heeres, woraus folgt, 
daß jeder andere militärische Befehlshaber ihm unterstellt und zu 
dienstlichem Gehorsam verpflichtet ist. Die kaiserliche Kommando- 
gewalt ist eine dem Heere gegenüber unmittelbar wirksame 
Gewalt, d. h. sie darf nicht aufgefaßt werden als ein bloßer 
„Ober“-Befehl im partikularistischen Sinne, welcher sich mit 
seinen Anordnungen lediglich an die Kontingentsherren richten kann 
und die Weitergabe bezw. Ausführung diesen überlassen muß, 
sondern als eine Gewalt, welche befähigt ist, über die Kontingents- 
herren und deren Truppenbefehlshaber hinweg unmittelbar durch- 
zugreifen bis auf den letzten Mann. „Alle deutschen Truppen 
sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge zu 
leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen“ 
(Art. 64 Abs. 1 RVerf). Der Kaiser ist also nicht sowohl der 
höchste als der unmittelbare Vorgesetzte jedes deutschen Soldaten. 
Als Bestandteile der kaiserlichen Kommandogewalt erscheinen 
namentlich das Recht des Kaisers, den Präsenzstand, die Gliederung 
und Einteilung der Kontingente des Reichsheeres, die Organisation 
der Landwehr und des Landsturms, sowie die Kriegsformation 
des gesamten Heeres zu bestimmen, die Standorte (Garnisonen) 
zu bezeichnen, die kriegsbereite Aufstellung (Mobilmachung) eines 
jeden Teiles des Reichsheeres anzuordnen !®, sein Recht, das Reichs- 
ebiet oder Teile desselben in Kriegszustand zu erklären !*, so- 
dann die ihm durch die Reichsmilitärstrafgerichtsordnung vom 
1. Dezember 1898 beigelegten gerichtsherrlichen Rechte. — Weit 
geringer als auf dem der Heeresleitung ist die Zuständigkeit, wie 
des Reichs überhaupt, so des Kaisers, auf dem der Militär- 
verwaltung bemessen. Hierher gehören die dem Kaiser durch 
Art. 64 RVerf beigelegten Ernennungsrechte (Recht, den Höchst- 
kommandierenden jedes Kontingents, alle Otfiziere, welche Truppen 
schließlich der mit ibr untrennbar verbundenen Disziplinargewalt inbegriffen. 
Vgl. Brockhaus a. a. O. 60; Triepel, 223; Gordon, AnnDR 1108 488, 
13 {Jber die Exemtion Bayerns von dem kaiserlichen Oberbefehl zu 
Friedenszeiten vgl. unten 855, 856. 
18 RVerf. Art. 63 Abs. 4, RMilGces $ 6. 
14 RVerf. Art. 68.
	        
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