Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

848 Zweiter Teil. Drittes Buch. 8 196. 
die Bestätigung militärgerichtlicher Urteile und das Begnadigungs- 
recht im Militärstrafverfahren *®, soweit diese Funktionen nicht 
dem Kaiser vorbehalten sind (oben 843), Sache des zuständigen 
Kontingentsherrn. Zuständig ist der Landesherr, dessen Kriegs- 
ministerium die Verwaltung hinsichtlich des betreffenden militärischen 
Verbandes ausübt **. 
Kraft ihrer Kontingentsherrlichkeit können die Landesherren 
nicht nur konkrete Befehle (Verfügungen), sondern auch allgemeine 
Vorschriften, Verordnungen, erlassen®®, und zwar nicht nur 
im sachlichen Bereich der Militärverwaltung, sondern auch in dem 
der Heeresleitung, soweit letztere noch in der Kontingentsherrlich- 
keit enthalten ist. Der Grundsatz des Vorranges der kaiser- 
lichen — sei es in Verfügungs-, sei es in Verordnungsform er- 
lassenen — Befehle vor den kontingentsherrlichen (oben Anm. 22) 
gilt selbstverständlich auch gegenüber den Verordnungen der 
Kontingentsherren. Liegt schon hierin eine Schutzvorkehrung gegen 
Gefährdungen der Einheitlichkeit der Heereseinrichtungen durch 
die partikulare Militärgewalt, so ist eine zweite, sehr wirksame 
Vorkehrung dieser Art zu erblicken in Art. 63 Abs. 5 RVerf. 
Dort heißt es: 
„Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Ad- 
ministration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller 
Truppenteile des deutschen Heeres sind die bezüglichen künftig 
ergehenden Anordnungen für die preußische Armee den Kom- 
mandeuren der übrigen Kontingente durch den Art. 8 Nr. 1 
bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die Festungen zur 
Nachachtung in geeigneter Weise mitzuteilen.“ 
Nach dieser Bestimmung ?® sind die Herren der außerpreußi- 
schen Kontingente — ausgenommen Bayern, welches auch hier 
eine sonderrechtliche Stellung einnimmt?” — verpflichtet, die 
ihnen über die bezeichneten Gegenstände (Administration usw.?®) 
:3 Vgl. MilStrGO 8$ 21, 34, 79, 93, 207, 418. Laband 4 116, 117; Bur- 
henne a. a. 0. 56 ff. 
% EinfG. zur MilStrGO $ 4. 
25 Diese Verordnungen können sich nur an die der Kontingentsherrlich- 
keit unterworfenen Organe und Individuen, die Militärbehörden und Militär- 
personen, richten; sie sind also Verwaltungsverordnungen (oben $ 159 
. 669 ff). Zum Erlaß von Rechtsverordnungen bedarf es wie überall so 
auch auf diesem Sachgebiete gesetzlicher Ermächtigung (oben 672). Eine 
dahingehende Ermächtigung kann — da die Gesetzgebungshoheit in mili- 
tärıschen Angelegenheiten dem Reiche ausschließlich zusteht (unten $ 200), 
nur durch Reiche-, nicht durch Landesgesetz erteilt werden. Vgl. Anschütz, 
nzykl. 178, 
26 Vgl. über sie außer den Kommentaren für RVerf — Seydel, Dam- 
bitsch, Arndt u. a. — insbes. Laband 4 23ff.; Haenel, Studien 2 70 ff., Staater. 
495 ff.; Anschütz, Enzykl. 179; v. Marschall a. a. O0. 346 ff.; Bornhak. Preuß. 
StR 8 43 ff.; Arndt. Reichsstaatsr. 462 ff.; Triepel a. a. O. 224, 225; Gümbel, 
AnnDR 1899 161 f.; W. F. Müller, Teilung der Militärgewalt 27 ff, 
°7 Vgl. Bündnisvertrag vom 23. November 1870, IILS 5 Ziff. I und III. 
3° Die vier Ausdrücke „Administration, Verpflegung, Bewaffnung, Aus- 
rüstung“ wollen nicht vier einzelne, sondern alle Gegenstände der Militär-
	        
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