Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des alten deutschen Reiches. $ 22. 75 
späteren Mittelalter nur ein Fürst mit starker Hausmacht gewählt 
werden ®.] 
[Rechtlich betrachtet ein Wahlreich ist das deutsche Reich 
doch tatsächlich während der längsten Zeit seines Bestehens 
ein Erbreich gewesen, insofern die Wähler sich meist an die Nach- 
kommen dessen hielten, der den Thron zuletzt innehatte. So blieb 
die Krone des Reichs insbesondere Jahrhunderte lang im Besitze 
des Hauses Habsburg, aus dessen Mitgliedern von 1438 an un- 
unterbrochen bis zum Erlöschen des Mannsstammes im Jahre 1740 
die deutschen Könige gewählt wurden. | 
Durch die Wahl wurde der, den sie traf, nach mittelalter- 
lichem Recht deutscher König und erhielt damit den Anspruch 
auf die Kaiserwürde®, welche letztere nur durch Krönung seitens 
des Papstes in Rom erworben werden konnte. Demgemäß führten 
im Mittelalter die Könige den Kaisertitel regelmäßig erst, nachdem 
die Krönung durch den Papst stattgefunden hatte; bis dahin 
nannte sich der Erwählte rex Romanorum. Seit Beginn der Neu- 
zeit änderten sich jedoch diese Verhältnisse, Schon Maximilian 1. 
legte sich (1508, mit Zustimmung des Papstes) den Titel „erwählter 
römischer Kaiser“ ohne vorhergegangene Krönung bei. Dabei ist 
es denn verblieben, derart, daß nicht nur der Königs-, sondern 
auch der Kaisertitel unmittelbar auf Grund der Wahl angenommen 
und geführt wurde. Der amtliche Wortlaut des reichsoberhaupt- 
lichen Titels war: „Von Gottes Gnaden erwählter römischer 
Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, König in Ger- 
manien“]. 
Das kaiserliche Reichswappen war der schwarze Adler 
im goldenen Feld, anfangs einköpfig, seit Ludwig dem Bayern 
mitunter und seit Sigismund regelmäßig zweiköpfig mit dem 
Hauswappen des Kaisers auf der Brust !®. 
Der Kaiser vereinigte ursprünglich alle Regierungsrechte in 
seiner Person. Im Laufe der Zeit ging aber einerseits ein großer 
Teil der Hoheitsrechte auf die Landesherren über, andrerseits 
wurde in Reichsangelegenheiten ein umfassendes Mitregierunge- 
recht des Reichstages anerkannt. Nunmehr blieb dem Kaiser nur 
ein geringer Teil von speziellen Befugnissen, sogenannten Re- 
8 [Die Vorschrift der G.B. ce Il $ 1, welche die Kurfürsten verpflichtet, 
vor der Wahl in der Bartholomäuskirche zu Frankfurt einer „Missa de 
S. Spirita® beizuwohnen, auf daß der h. Geist ibren Sinn auf einen „homo 
iustus, bonus et utilis“ lenke, statuiert keine Erfordernisse der Wählbarkeit. 
A. M. irrtümlich, die Voraufl. (6. A. 69) und Schulze, D. Staatsr. 1 53]. 
® [Dem wirklich geltenden Recht des Mittelalters entspricht nicht der 
Satz der const, licet iuris (oben $ 20 Nr. 2) von 1338, wonach der electus 
„statim ex sola electione est verus rex et imperator Romanorum censendus 
et nominandus“, sondern G. B. cap. II $ 8: Der König wird gewählt als 
„rex in imperatorem promovendus“. Erst seit Anfang des 16, Jahrh. (s. oben 
ım Text) gelangte jener Satz der const. Licet juris zur Geltung.] 
10 Über das Wappen und die Farben des Reichs (schwarz-rot-gold ?) 
vgl. Herbert Meyer in der Akad. Turn-Z. (1903) Heft 15.
	        
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