Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

856 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 197. 
hat sich verpflichtet, in bezug auf Organisation und Formation, 
Ausbildung und Gebühren vollständige Übereinstimmung mit dem 
übrigen Reichsheer herzustellen; diese Herstellung erfolgt durch 
Anordnungen, welche der König von Bayern in Ausfluß der ihm 
obliegenden vertragsmäßigen Verbindlichkeiten erläßt. Bezüglich 
der Bewaffnung und Ausrüstung, sowie der Gradabzeichen ist die 
Herbeiführung einer solchen Übereinstimmung dem Ermessen der 
bayerischen Regierung vorbehalten. Die Militärverwaltung wird 
durch das Kriegsministerium in München geführt. Der Kaiser hat 
das Recht der Inspektion des bayerischen Kontingentes. Über das 
Ob und Wie („die Modalitäten“) der jeweiligen Vornahme und 
über das Ergebnis derselben muß er sich mit dem Könige von 
Bayern ins Vernehmen setzen; er kann also sein Aufsichtsrecht 
nur nach vorheriger Verständigung mit dem König von Bayern 
ausüben und besitzt nicht die Befugnis, selbständig die Abänderung 
der vorgefundenen Mängel anzuordnen. Zur steten gegenseitigen 
Information in militärischer Beziehung erhalten die Militärbevoll- 
mächtigten in Berlin und München über die einschlägigen An- 
ordnungen entsprechende Mitteilungen durch die betr. Kriegs- 
ministerien. Die Anlage von neuen Befestigungen auf bayerischem 
Gebiete hat sich Bayern verpflichtet, im Interesse der gesamt- 
deutschen Verteidigung zuzugestehen. Es erhält die Festungen 
Ingolstadt und Germersheim, sowie die Fortifikation von Neu-Ulm 
und die auf bayerischem Gebiete künftig anzulegenden Be- 
festigungen in verteidigungsfähigem Stande; die Festung Landau 
ist aufgehoben. Neu angelegte Befestigungen treten in das aus- 
schließliche Eigentum Bayerns; ihr mobiles Material wird gemein- 
sames Eigentum der Staaten des Reiches. In betreff dieses 
Materials, sowie des mobilen Festungsmaterials der vormaligen 
deutschen Bundesfestungen Mainz, Rastatt und Ulm gilt die Über- 
einkunft vom 6. Juli 1869 11, 
auf Veranlassung des Bundesfeldherrn“ (Bündnisve vom 23. Nov. 1870 
in %> zu III). Das heißt: er darf nicht mobil machen ohne „Veranlassung“ 
des Kaisers und muß — unverzüglich — mobil machen, sobald diese Ver- 
anlassun erfolgt: So geschehen zu Beginn des gegenwärtigen Krieges. 
Ein Recht des Königs von Bayern, zu prüfen, ob die Veranlassung bzw. 
die vom Kaiser für das übrige Reichsheer ausgesprochene Mobilisierung 
rechtlich und tatsächlich begründet ist, besteht nicht; die Befugnis des 
Königs von Bayern, den Mobilmachungsbefehl von sich aus zu erlassen, hat 
lediglich den Charakter eines Ehrenrechts. Gegen die Ausführungen 
v. Holtzendorffs in seinem Handb. d. Völkerrechts 2 146, 147, wonach Bayern 
es sich im gegebenen Falle erst noch überlegen darf, ob es „den Oberbefehl 
(über das Bayerische Kontingent) an den Kaiser übertragen“ will, muß 
schärfster Widerspruch erhoben werden; diese Bemerkungen und was dann 
noch über das „Recht“ Bayerns, zum Schutze seiner Reservatrechte zu den 
Waffen zu greifen (!) gesagt wird, sind nichts besseres als ein — mit völlig 
untauglichen theoretischen Mitteln unternommener — Versuch, hochverräte- 
rische Handlungen (die glücklicherweise ganz undenkbar sind) im voraus 
mit dem Scheine der Berechtigung zu umgeben. , 
11 Schlußprotokoll vom 23. November 1870 Nr. XIV. — Über die Über- 
einkunft vom 6. Juli 1869 vgl. 8 66 S. 169.
	        
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