76 Erster Teil. Erstes Buch, $ 22.
servatrechten tibrig. Die Reservatrechte des Kaisers bildeten
einmal einen Gegensatz zu den Komitialrechten, d. h. den-
jenigen Befugnissen, für deren Ausübung die Mitwirkung des
eichstages erfordert wurde. Sie zerfielen in iura reservata limi-
tata, d. h. Rechte, zu deren Ausübung der Kaiser der Zustimmung
der Kurfürsten bedurfte!!, und iura reservata illimitata, bei
welchen dies nicht der Fall war!?, Von kaiserlichen Reservat-
rechten sprach man aber auch im Gegensatz zu den Rechten
der Landesherren. In dieser Beziehung unterschied man iura
reservata communia s. cumulativa, welche dem Kaiser konkurrierend
mit dem Landesherrn in jedem Territorium zustanden !®, und iura
reservata exclusiva, welche im Gebiete des ganzen Reiches der
Kaiser ausschließlich besaß !*.
Die Regierungsrechte des Kaisers waren: 1. das Recht
der Gesetzgebung in Gemeinsamkeit mit dem Reichstage, 2. die
Vollziehung der Reichsschlüsse und reichsgerichtlichen Urteile
unter Mitwirkung der Kreise, 3. die Vertretung des Reiches gegen-
über auswärtigen Staaten, doch durfte er nach den Bestimmungen
des Westfälischen Friedens ohne Zustimmung des Reichstages
weder Krieg erklären noch Frieden oder Bündnisse schließen,
4. die Verleihung der Gerichtsbarkeit, 5. die Besetzung einiger
Reichsämter, 6. die Verwaltung der Finanzen des Reiches. Ver-
äußerungen und Verpfändungen von Reichsgütern, sowie Aufer-
legung von Steuern erforderten die Zustimmung des Reichstages.
Der oberste Beamte des Kaisers war der Reichserz-
kanzler!5. Dies Amt befand sich seit dem zehnten Jahrhundert
in den Händen des Erzbischofs von Mainz. Derselbe leitete jedoch
nur ausnahmsweise bei Anwesenheit am Kaiserhofe und auf Reichs-
tagen die Kanzlei persönlich. Dagegen nahm er schon seit den
letzten Jahrhunderten des Mittelalters das Recht in Anspruch, an
seiner Stelle einen Vizekanzler zu ernennen. Dieses Recht wurde
1559 durch Ferdinand I anerkannt, befand sich jedoch erst seit
1660 in unbestrittener Übung. Dem Reichserzkanzler stand die
u Z,B. das Recht, Zölle anzulegen und Zollgerechtigkeiten zu verleihen
(N.O. Art. Sl $$ 1 u. 2), das Recht, das Münzregal zu verleihen (W. C.
rt. ).
12 Z B. die Reichsgerichtsbarkeit auszuüben, soweit sie zur Zuständig-
keit des Reichshofrates gehörte, ferner das Recht, Standeserhöhungen vor-
zunehmen (unbeschadet der Rechte Dritter: vgl. Wahlkapitulationen seit
der W.-C. Karls VII von 1742, Art. XXII, 85 4,5) und Universitätsprivilegien
zu erteilen. Über das Standeserhöhungsrecht vgl. Anschütz, Der Fall
Friesenhausen 74 ff. (Tübingen und Leipzig 1904) und die Gegenschrift von
Schoen: Das Kaiserliche Standeserhöhungsrecht und der Fall Friesen-
hausen (1905).
ı8 Z, B. das Recht, venia aetatis zu erteilen, uneheliche Kinder zu
legitimieren, Notare zu kreieren.
1 Z. B. die N. 12 aufgeführten Rechte,
18 G. Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien. ‚Innsbruck 1889.
H Krotzachmayr, a8 Deutsche Reichsvizekanzleramt, Arch. Österreich. Gesch.