Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

866 . Zweiter Teil. Drittes Buch, $ 200. 
Verordnungen des Bundespräsidiumse, in einzelnen Fällen aber 
auch, ohne daß die Bundesgewalt daran Anstoß genommen hätte, 
durch Verordnungen der Landesregierungen@. Die Frage, ob dies 
zulässig war, ist heute, nachdem die „ungesäumte Einführung“ 
längst vollzogen ist, ohne praktisches Interesse. 
Art. 61 hat einerseits die Bedeutung einer Übergangsvorschrift, 
andererseits die einer Sperre. Einer rgangsvorschrift: die 
Ausdehnung des preußischen Militärrechts auf das außerpreußische 
Bundesgebiet sollte, und zwar sofort („ungesäumt“) und mit einem 
Schlage, Rechtseinheit im Bereiche des Heereswesens her- 
stellen: eine provisorische Rechtseinheit, die dann durch die 
Bundes- (nachmals Reichs-) gesetzgebung gemäß Art. 61 Abs. 2 in 
eine definitive Einheit, durch ein „umfassendes Reichsmilitär- 
esetz“, ersetzt werden sollte. Einer Sperre: durch das Gebot des 
t. 61 verloren die Einzelstaaten — auch Preußen — das Recht, 
Gesetze über Gegenstände des Heereswesens zu erlassen. Die 
Gesetzgebungshoheit der Einzelstaaten auf diesem Gebiete wurde 
mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die preußischen Militärgesetze 
wurden durch Art. 61 und ihre Einführung im außerpreußischen 
Bundesgebiet zwar nicht Bundes-(nachmals Reichs-)gesetze, blieben 
vielmehr Landesgesetze des Staates, in dem sie galten bzw, ein- 
geführt wurden, aber Landesgesetze mit Bundes-(Reichs-) 
gesetzeskraft. Damit war durch die Verfassung ausgesprochen, 
was das Wesen der Ausschließlichkeit einer Gesetzgebungs- 
kompetenz des Reichs ausmacht®: die Unzuständigkeit der Landes- 
esetzgebung zum Erlaß von Gesetzen auf einem bestimmten 
achgebiet. Art. 61 verleiht der dem Bunde bzw. Reiche durch 
Art. 4 Nr.14 RVerf. beigelegten Kompetenz zur Gesetzgebung in 
Militärsachen die Eigenschaft der Ausschließlichkeitf.] 
Durch die Konvention mit dem Großherzogtum Hessen 
wurde für das Gebiet desselben ebenfalls die Einführung der 
reußischen Militärgesetzgebung angeordnet und bestimmt, daß 
nselbat künftig diejenige Wehrverfassung gelten sollte, welche in 
der Verfassung des Norddeutschen Bundes festgesetzt wäre bezw. 
durch spätere Bundesgesetze festgesetzt würde®. 
Die Verfassung des Deutschen Reiches wiederholte 
in ihrem Art. 61 die Bestimmungen der Norddeutschen Bundes- 
verfassung. Dabei verstand es sich von selbst, daß diejenigen 
norddeutschen Bundesgesetze, welche seit Gründung des Nord- 
deutschen Bundes erlassen waren, an Stelle der früheren preußischen 
traten. 
oc Verordnungen vom 7. Nov. 1867 (BGBl 125), 29. Dez. 1867 (BGBl 401), 
22, Dez. 1868 (BGBl 571), 24. Nov. 1871 (RGBI 401), 
4 Vgl. Laband 4 22, Seydel, Komm. 329. 
e Yet oben 261, 715. . 
f Über das Veto Preußens gegen Änderungen der Militärgesetze des 
Reichs vgl. oben 683. 
8 Konv. vom 7. April 1867 Art. 2 u. 5.
	        
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