Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
welcher zwischen ihren Grenzen und denen der Abtei Grünhain mitten 
innen lag. Der Streit übertrug sich auch auf ihre beiderseitigen Unter— 
thanen, und der Abt war seinem Ziele nahe, jetzt sagen zu können: 
„Keinem von Euch beiden, sondern mir gehört der Forst.“ Da starb 
er plötzlich. Sein Nachfolger, der Abt Johannes, war ein milder 
Priester, welcher den Streit nicht weiter schürte, vielmehr eine Ver— 
söhnung der inzwischen aus Palästina zurückgekehrten Herren vermittelte. 
Dieselben kamen auf freiem Felde unter Gottes blauem Himmel zu— 
sammen und durch Händedruck und Bruderkuß wurde die Versöhnung 
besiegelt. An der Stelle aber, wo dies geschah, wurde ein Stein er— 
richtet, den der Abt segnete und mit Weihwasser, geschöpft aus dem in 
der Nähe befindlichen heilbringenden „guten Brunnen“, besprengte. 
Am Abende dieses Tages wurde im Städtlein Zwönitz ein frohes Fest 
gefeiert, und der Abt verlieh dabei genannter Stadt ein neues Wappen- 
schild: Den buntgefiederten Sittich im blauen Felde. Der Stein aber 
wurde später mit dem Wappenschilde der Abtei Grünhain und dem 
von den Grafen und Herren von Schönburg geziert; der Volksglaube 
gab ihm Wunderkräfte, Stücken von ihm wurden zu Pulver gerieben 
und sollten in allerlei Leiden und Schwächen des Körpers die ersprieß- 
lichsten Dienste leisten. Der streitige Forst erhielt später den Namen 
Streitwald, welchen er noch heute führt. 
  
655. Der Peststein bei Rauenstein. 
(Dietrich und Textor, Die romantischen Sagen des Erzgebirgs. 1. B. 
S. 305 2c. Darnach bei Gräße a. a. O. No. 563.) 
Ein furchtbarer Krieg war vorüber; nach ihm erschienen teure 
Jahre, die Hungersnot und die Pest. Am verheerendsten wütete letz- 
tere im niedern Erzgebirge bis gegen Rauenstein und Lengefeld. Die 
letztgenannte Stadt wurde deshalb von dem Verkehre abgesperrt. Nun 
lebte aber in dem nahen Reifland ein junger Mann, der Sohn des 
Richters, welcher mit der Enkelin des ehrwürdigen alten Pfarrers zu 
Lengefeld verlobt war. Einst hatte er dieselbe mit eigener Lebensgefahr 
aus den Fluten der Flöha gerettet. Da nun die schreckliche Pest jeden 
Tag neue Opfer forderte und auch seine Braut, deren Vater und Groß- 
vater davon befallen wurde, brach der Jüngling nach Freiberg auf, wo 
unterdeß die Pest nachgelassen hatte. Dort hatten die Totengräber 
mehrere gewürzhafte Kräuter und Wurzeln in scharfen Essig aufgesetzt 
und damit sich selbst und vielen geholfen. Mit diesem Wunderessig, von 
□s ihm die Totengräber angegeben hatten, daß er ihn aus einer 
  
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