Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

872 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 202. 
zu lassen, durch das gegen den Antrag eingelegte Veto Kaiser 
Leopolds I. zurückgewiesen ®. Die Landesherren gingen daher 
darauf hinaus, sich im eigenen Lande Einnahmequellen zu ver- 
schaffen, welche von der Bewilligung der Landstände unabhängig 
waren. Sie benutzten dazu einmal die Regalien, welche sich als 
landesherrliche Reservatrechte jeder ständischen Einwirkung ent- 
zogen; außerdem suchten sie von den Landtagen permanente Be- 
willigungen für bestimmte Zwecke zu erlangen, welche keiner 
eriodischen Erneuerung bedurften. Zu diesen gehörte besonders 
Nie seit dem dreißigjährigen Kriege als Kontribution bezeichnete 
Steuer vom Grundeigentum, welche namentlich zur Unterhaltung 
des Militärs bestimmt war. Auch die Akzise hatte in einzelnen 
Territorien einen solchen Charakter. Mit Hilfe dieser beiden 
Steuern gelang es den Landesherren vielfach, die Rechte der Stände 
völlig zu beseitigen. Aber auch in denjenigen Ländern, in welchen 
sich die landständischen Verfassungen in voller Kraft erhalten 
hatten, machte man in der letzten Zeit des deutschen Reiches all- 
gemein einen Unterschied zwischen notwendigen Steuern, die 
in Gesetz und Herkommen begründet waren, und freiwilligen, 
für weiche eine besondere Bewilligung der Landstände erfordert 
wurde”, 
In denjenigen Ländern, in welchen eine völlige Vernichtung 
der landständischen Rechte eintrat, hörte damit auch der Dualismus 
von Landkasse und Kammerkasse auf; es entstand eine ein- 
heitliche Finanzverwaltung. In derselben erhielt sich 
jedoch eine Mischung von staats- und privatwirtschaftlichen 
lementen, solange das Kammergut seinen alten Charakter be- 
wahrte. Erst durch die Erklärung der Domänen zu Staatsgütern 
wurde die Finanzverwaltung zu einem rein staatlichen Verwaltungs- 
zweige. Am frühesten ist diese Entwicklung im brandenburgisch- 
preußischen Staate eingetreten. 
Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts erfolgte 
eine vollständige Reorganisation der Finanzverwaltung. Die 
Rechtsverhältnisse des Domaniums wurden in fast allen deutschen 
Staaten gesetzlich geordnet. Unter dem Einfluß der neueren 
volkswirtschaftlichen Theorien kam eine Reform des Steuerwesens 
zustande, welche in der Einführung von Ertrags-, Einkommen- 
und Vermögenssteuern gipfeltee Die Akzise wurde aufgehoben 
und durch ein rationelleres System indirekter Besteuerung ersetzt. 
An die Stelle des Steuerbewilligungsrechtes der alten Landstände 
trat das Budgetrecht der modernen Landtage, welches ın den 
Verfassungsurkunden eine nähere Regelung erhielt. Durch die 
Gründung des Zollvereins kam es zur Einführung gemeinsamer 
Normen über die Erhebung der Zölle und gewisser Verbrauchs- 
oser, Von der Landeshoheit in Militärsachen 17 ff; Schmauß, 
2.2. 0. . 
” Häberlin, Handbuch des teutschen Staatsrechtes $ 257; v. Gönner, 
Teutsches Staatsrecht $ 456; Leist, Teutsches Staatsrecht $ 227.
	        
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