Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

880 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 204. 
der sogenannten consolidated fund act oder, wie sie in neuerer 
Zeit gewöhnlich genannt wird, appropriation act, zusammengefaßt. 
Zur Ausgleichung der Einnahmen und Ausgaben bewilligt das 
Parlament ferner jährlich eine Reihe beweglicher Steuern, nament- 
lich die Einkommensteuer und einige indirekte Steuern. Die 
Feststellung dieser erfolgt ebenfalls durch ein besonderes Gesetz, 
welches jetzt als customs and inland revenue act bezeichnet wird, 
2. Die kontinentale Entwicklung ging beim Über- 
gang vom absoluten zum konstitutionellen Staatsleben von dem 
Steuerbewiligungsrecht der ehemaligen Stände aus und nahm für 
die modernen parlamentarischen Vertretungen in erster Linie eben- 
falls ein Steuerbewilligungsrecht in Anspruch. Der Steuerbedarf 
richtet sich aber nach dem Betrage der Staatsausgaben. Das 
Steuerbewilligungsrecht führte daher mit Notwendigkeit auch zu 
einer Prüfung und Bewilligung der Staatsausgaben. So vollzog 
sich die Entwicklung namentlich in Frankreich?®, wo es aber 
infolge des mangelhaften Zustandes der Finanzen zu der Ein- 
führung permanenter Steuern nicht kam, der ganze Staatshaushalt 
daher auf periodische Steuerbewilligungen basiert wurde Die 
Verfassung vom 3. September 1791 legte dem gesetzgebenden 
Körper die Befugnis bei, die Staatsausgaben festzusetzen und die 
Steuern jährlich zu bewilligen; in bezug auf die Ausgaben wurde 
nur die Beschränkung ausgesprochen, daß die für die Zahlung 
der Staatsschuld und der Zivilliste erforderlichen Summen nicht 
verweigert werden durften®. Auch nach der Charte vom 4. Juni 
1814 hatten die Kammern das Recht der periodischen Bewilligung 
aller Steuern; die Grundsteuer sollte jährlich, die indirekten 
Steuern konnten auch auf mehrere Jahre bewilligt werden®. Die 
Ausgaben wurden in der Restaurations- ebenso wie in der 
napoleonischen Zeit nur in einer Gesamtsumme bewilligt; erst 
allmählich trat eine Spezialisierung derselben ein. Noch weiter- 
gehend waren die Befugnisse, welche den Kammern in Belgien? 
beigelegt wurden. Die Verfassung vom 25. Februar 1831 be- 
stimmt, daß alle Steuern jährlich bewilligt und daß alle Staats- 
einnahmen und Staatsausgaben auf das Budget gebracht werden 
sollen, welches alljährlich von den Kammern „votiert“ wird®. 
S 204. 
[In Deutschland knüpften die Verfassungen der Länder, 
in welchen sich der ständische Staat, oder doch die Erinnerung 
$ Jellinek a. a. O. 146 ff.; Seidler a. a. O. 67 ff. 
+ Tit. III chap. 8 sect. 1 Art. 1 Nr. 2, 8, Tit. V Art. 1. 
° Tit. V Art. 2, 
© Art. 48, 49. , 
' Jellinek a. a. O. 163 ff.; O. Planck, Das Budgetrecht der belgischen 
Verfassung, München 1889; [Rehm, Staatsr. 304 ff.; Smend, Die preußisclıe 
Verfassungsurkunde im Vergleich mit der belgischen (1904) 60 ff.]. 
8 Art. 111, 115. Vgl. unten $ 204a S. 886 Anm. 16.
	        
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