882 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 204a.
punkt des Einflusses, welchen die Volksvertretung auf die Ge-
staltung des Staatshaushalts auszuüben berechtigt ist, in der
Steuerbewilligung. Nur in bezug auf die Steuern (und einzelne
außerordentliche Staatseinnahmen, wie Anleihen und’ Veräußerung
von Staatsvermögen (vgl. unten 894, 896), steht dem Land-
tage ein wirkliches Bewilligungsrecht, also eine beschließende
Mitwirkung zu, die übrigen Staatseinnahmen, insbesondere die
Erträgnisse des Staatsvermögens, sowie die Staatsausgaben werden
nach der Verfassung nicht bewilligt, sondern nur „geprüft“, d.h.
seitens des Landtags einer Kritik und Erörterung unterzogen,
welche sich bei den genannten Einnahmen® auf die Richtigkeit
der Veranschlagung, bei den Ausgaben außerdem noch auf ihre
Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit erstreckt. Zum Zwecke dieser
Prüfung und der durch das Ergebnis derselben bedingten Steuer-
bewilligung wird dem Landtage („den Ständen“) von der Regierung
vorgelegt: 1. der Staatshaushaltsplan oder das Budget
(Etat, Hauptetat, Staatsvoranschlag), d. h. eine voll-
ständige, geordnete Zusammenstellung des gesamten Ausgabebedarfs
und der einer Bewilligung nicht bedürftigen Deckungsmittel, ins-
besondere der außersteuerlichen Einnahmen; 2. die Steuer-
forderung oder der Entwurf des Auflagengesetzes, d. h. ein
Gesetzentwurf, in dem die zur Bestreitung der durch jene Ein-
nahmen nicht gedeckten Ausgaben erforderlichen Steuern nach
Art und Höhe bestimmt sind. Die erste Vorlage erscheint als
Begründung der zweiten: der Staatshaushaltsplan wird vom Land-
tage geprüft, um zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, ob
Steuern überhaupt und ob sie in der von der Regierung ge-
forderten Art und Höhe notwendig sind. Das Recht des Land-
tags, diese Entscheidung zu treffen, ist ein wahres Bewilligungs-
recht: die Regierung darf — soweit die Verfassung nicht für
Bedingungen knüpfen. 5. Hess, Verf. Art. 67. Ohne Zustimmung der Stände
kann keine direkte oder indirekte Auflage ausgeschrieben oder erhoben
werden. Das Finanzgesetz, das immer auf ein Jahr gegeben wird, soll mit
dem Hauptvoranschlage der Staatseinnahmen und -ausgaben zuerst der
Zweiten Kammer vorgelegt weıden... Art. 68. Die Bewilligungen dürfen
von keiner Kammer an die Bedingung der Erfüllung bestimmter Desiderien
geknüpft werden. Beide Kammern sind jedoch befugt. nicht nur eine voll-
ständige Übersicht und Nachweisung der Staatsbedürfnisse, sondern auch
eine genügende Auskunft über die Verwendung früher verwilligter Summen
zu begehren.
iteratur über das Budgetrecht der deutschen Mittelstaaten: 1. Bayern:
v. Seydel und v, Seydel-Graßmann in den oben $ 204 N. 1 angegebenen
Werken; Piloty in den Bl. f. admin. Praxis 52 1ff.; Rehm in den AnnDR
1901 641 ff; OÖ. Geßler, Die budgetrechtl. Bedeutung der Staatsausgaben
nach bayer. StR (Erlanger Diss., 1900); 2, Württemberg: Pfizer, Das Reclhıt
der Stenorvcrwilligung (1836); v. Mohl, Württ, StR 1 624 ff.; v. Sarwey,
Württ. StR 2 510 ff.; Göz, Württ. StR 100 ff, 256ff.; 8. Sachsen: O. Mayer,
Sächs. StR 193 ff.; 4. Baden: van Calker in der oben $ 204 N. 1 zit. Schrift;
Walz, Bad. StR 282 f.; 5. Hessen: van Calker. Hess. StR 195 ff.
? O. Mayer, Sächs. StR 197: „gegebene Einnahmen“; van Calker, Hess.
StR 198: „bewilligungsfreie Einnahmen“,