Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

890 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 200. 
in der Form eines Gesetzes auftritt und demgemäß wie ein solches 
beschlossen, sanktioniert, verkündigt wird, oder so, daß das Ge- 
setz lediglich die zu erhebenden Steuern bezeichnet, zwischen 
Regierung und Landtag aber eine interne Vereinbarung über den 
Etat stattfindet, auf deren Grundlage die Feststellung des Steuer- 
gesetzes erfolgt. Im letzteren Falle erscheint der Staatshaushalts- 
plan in keinem Sinne als Gesetz, auch nicht im formellen. Aber 
auch der in der Gestalt des Gesetzes auftretende Etat ist kein 
Gesetz im materiellen, sondern nur ein Gesetz im formellen 
Sinne. Seine Festsetzung charakterisiert sich als Verwaltungs- 
akt. Allerdings können in einem Etatsgesetz einzelne Bestim- 
mungen vorkommen, welche den Charakter von gesetzlichen Vor- 
schriften im materiellen Sinne baben; der größte Teil aber der 
im Etat enthaltenen Festsetzungen besteht aus bloßen Veran- 
schlagungen?. Die Grundsätze über Aufstellung und Bedeutung 
des Etats sind infolgedessen für alle deutschen Staaten vielfach 
gleichartig; insbesondere besteht [abgesehen von der unten & 207 
bezeichneten Verschiedenheit im Falle des Nichtzustandekommens 
der Budgetvereinbarung] kein durchgreifender Unterschied zwischen 
derjenigen Staatengruppe, welche den Etat formell als Gesetz be- 
handelt und derjenigen, in welcher nur ein Steuer- oder Finanz- 
gesetz erlassen, das Budget dagegen lediglich durch eine innere 
Vereinbarung zwischen Regierung und Landtag festgestellt wird ®. 
2 Als Gesetz im formellen Sinne ist der Etat zuerst von Laband in 
der $ 204 S. 878 N. 1 zitierten Abhandlung über das preußische Budgetrecht 
aufgesetzt und bezeichnet worden. Diese Auffassung ist von allen den 
Schriftstellern akzeptiert worden, welche den Unterschied von Gesetz im 
matcriellen und formellen Sinne überhaupt anerkennen. Vgl. Gneist, Ges. 
u. Budget 162 ff.; Jellinck a. a. O. 285; H. Schulze, Preuß, Staatsrecht 2 211 ff.; 
Lehrb. des deutschen Staatsrechtes 1 587; Prazäk a. a. O. 455 ff.; Seydel, 
Budgetrecht 14, Bayer. StR (2. Aufl.) 2 S$ 249, 255, v. Seydel-Graßmann 2 
5 184, 185; Anschütz, Kritische Studien 68, 69, Enzykl. 155, 189, 190; Rehm, 
lg. Staatsl. 297 ff.; v. Heckela.a.0.73ff. And. Ansicht diejenigen Schrift- 
steller, welche den Unterschied von Gesetzen im materiellen und formellen 
Sinne überhaupt verwerfen; sie nehmen an, daß die Bestimmungen des Etats 
den Charakter von Rechtssätzen haben: v. Martitz a. a. O. 268 ff.; Zorn, 
StR 1 439 ff.; Haenel a. a. O. 330; v. Kirchenheim, Lehrbuch des deutschen 
Staatsrechtes 400. Auch Arndt, Komm. zur preuß. Verf. 331, 332, 348, 
v. Roenne, Preuß. StR (4. Aufl.) 1 602 N. 1, v. Roenne-Zorn B 102 Anm. l, 
und Schwartz, Preuß. Verfassungsurk. 300 verwerfen die Bezeichnung des 
Etats als Gesetz im formellen Sinne. Für einen Verwaltungsakt erklärt die 
Etatsfeststellung auch Fricker a. a. O. 402 ff., obwohl er sonst den Unter- 
schied von Gesetz im materiellen und im formellen Sinne nicht anerkennt 
(a. a. O. S. 382). 
:G. Meyer bemerkte hierzu in der Voraufl. (S. 753 N. 8): And. An- 
sicht: Haenel a. a. O. S. 292, der sogar behauptet, „nur die kompendiarische 
Gedankenlosigkeit könne es unternehmen, das Budgetrecht beider Typen 
auf einen und denselben juristischen Leisten zu schlagen“. Wer allerdings 
wie Haenel annimmt, das in Form des Gesetzes aufgestellte Budget enthalte 
ausnahmslos Rechtssätze, der muß auch notwendig für beide Fälle der Etats- 
festsetzung verschiedene Grundsätze aufstellen. Änders liegt die Sache da- 
gegen für diejenigen, welche den Etat als Gesetz im formellen Sinne an-
	        
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