900 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 206.
lastung? der Regierung auszusprechen. Abweichungen in den
Einnahmen bedürfen der nachträglichen Genehmigung nur, soweit
sie Abweichungen von den Vorschriften der Gesetze oder des
Etats, dagegen nicht, soweit sie Resultate tatsächlicher Verhältnisse,
also durch unrichtige Voranschläge veranlaßt oder durch Ver-
zichte auf vermögensrechtliche Ansprüche, welche die Regierung
kraft ihrer Verwaltungsbefugnisse auszusprechen befugt war, her-
beigeführt sind. Außeretatsmäßige Ausgaben, d. h. Ausgaben,
welche im Etat nicht vorgesehen sind, sowie Überschreitungen der
Ausgabepositionen des Etats bedürfen der nachträglichen Ge-
nehmigung des Landtages®. Doch ist der Landtag zur Erteilung
der Genehmigung verpflichtet, wenn die betreffenden Ausgaben
kraft eines Gesetzes oder in Erfüllung einer sonstigen rechtlichen
Verpflichtung geleistet werden mußten. Eine Rechtfertigung
(„Justifikation“) von Ausgabeüberschreitungen durch landesherrliche
Eingriffe ist mit dem Recht des Landtages auf Rechnungslegung
nicht vereinbar und muß daher für unzulässig erachtet werden ®.
Die von dem Landtage ausgesprochene Entlastung befreit die
Regierung, d. h. die verantwortlichen Minister, von der Verant-
wortung für die Finanzverwaltung, hat aber keine Bedeutung für
dritte Personen, auch nicht für anderweite Beamte, welche dem
Staate wegen pflichtwidrigen Verhaltens zur Entschädigung ver-
pflichtet sind !°,
Der Prüfung der Staatsrechnungen durch den Landtag geht
eine Vorprüfung voraus. Diese ist meist in die Hände einer
besonderen Behörde, des Rechnungshofes oder der Oberrechnungs-
kammer gelegt!!. In kleineren Staaten wird sie auch wohl von
7 Yel. W. Bellardi, Die staatsrechtliche Entlastung nach preußischem
und Reichsstaatsrecht (Zorn u. Stier-Somlo, Abhandlungen VII, 3),
8 Über den Begriff der Etatsüberschreitungen herrschte früher
in Preußen ein lebhafter Streit. Die Regierung wollte als solche nur
Abweichungen von dem in der Gesetzsammlung publizierten Auszuge des
Etats anerkennen, das Abgeordnetenhaus begriff darunter alle Abweichungen
von den von ihm genchmigten Spezialtiteln. Durch G., betr. die Einrichtung
und die Befugnisse der Oberrechnungskammer, vom 27. März 1872 88 18 u.
19 ist der Streit im letzteren Sinne entschieden worden. Vgl. v. Roenne-
Zorn a. 2. O0. 8 115 ff, 121, 122, 150 ff.; Schwarz, Formelle Finanzverwaltung
7ıff. Ergänzende Vorschriften zu Art. 104 der Preuß, Verf, und $ 19 des
Ges. vom 27. März 1872 enthält $ 47 des Ges. vom 11. Mai 1898. Vgl.
darüber Thrän, AnnDR 1%2 108.
9% Über „justifizierenden Kabinettsordres“ vgl. v. Roennc-Zorn a. a. O.
152; Haenel a. a. O. 343, 344; Joel, Die justiizierenden Kabinettsordres,
AnnDR 1885 805 ff.; Laband 4 569; Arndt, Annalen a. a. O. 232; Triepel,
Reichsaufsicht 316 ff.; Bellardi a. a. O. 58 ff. (Literaturübersicht 58 Anm. 4);
Schwarz a. a. 0. 62, 69. Vgl. auch oben 8 178 Anm. m und unten $ 209
nm, 21.
10 So mit Recht ein Erkenntnis des Reichsgerichtes: RGZ 18 258 ff.
Vgl. über die Wirkungen der Entlastung Bellardi a. a. O. 20 ff,, de Jonge,
ArchÖfR 2.297 ff. (abweichend von der Ansicht des Reichsgerichts
11 Die preußische Oberrechnungskammer wurde schon unter Friedrich
Wilhelm I (im Jahre 1714, Ygl. Acta Boruss., Behördenorganisation 2 57 ff).
errichtet, Ihre Stellung und Befugnisse wurden durch die Instr. vom 18. De-