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Die Funktionen. $ 207. 005
pflichtung der Regierung, dem Landtage das Budget vorzulegen
und es mit ibm gemeinsam festzustellen, keine unbedingte, sie
tritt nur dann ein, wenn zur Deckung des Staatsbedarfs Steuern
erforderlich sind. Diese Verpflichtung entfällt, wenn die Re-
gierung keine Steuern braucht oder will (ein tatsächlich un-
möglicher Fall), desgleichen, wenn der Landtag die von ihr an-
geforderten Steuern verweigert. Kommt also das Finanz- oder
Auflagengesetz nicht zustande, so kann die Regierung das Budget
von sich aus, einseitig, feststellen und in dasselbe alle Ausgaben
einstellen, die sie für nötig hält, aber nur die Einnahmen, welche
ihr in dieser Lage zur Verfügung stehen, d. h, solche, die der
Bewilligung des Landtags nicht unterliegenb,
I. In den Staaten, deren Verfassung die periodische Fest-
stellung des Etats „durch ein Gesetz“ vorschreiben, vor allem also
in Preußen, ist die Pflicht der Regierung, vor Beginn jeder Finanz-
periorde dem Landtage den Entwurf des Etats vorzulegen, eine
unbedingte und ein Recht der Regierung, im Falle des Nicht-
zustandekommens des Etatsgesetzes ohne Ktat oder nach einem
von ihr allein festgestellten Etat zu wirtschaften, aus der Ver-
fassung nicht herzuleiten. Auch sonst gibt die Verfassung, wie
erwähnt, keine Antwort auf die Frage, welche Rechtsfolgen ein-
treten, falls das Etatsgesetz scheitert. Die vielfach angestellten
Versuche, gleichwohl zu einer Lösung, und zwar zu einer juristischen
Lösung dieser Frage zu gelangen, haben zu sehr verschiedenartigen
Ergebnissen geführt.
1. Eine früher nicht selten vertretene Meinung geht dahin,
daß der Staatshaushaltsplan der abgelaufenen Periode so lange in
Kraft und maßgebend bleibt, bis er durch einen neuen ersetzt ist.
Diese Meinung steht schon mit dem Wortlaut der Verfassungs-
urkunden, wonach der Etat jeweils nur für eine Finanzperiode
(preuß. Verf. Art. 99: „für jedes Jahr“) festgestellt wird, im Wider-
spruch. Sie ist heute allgemein aufgegeben.
2. Nach einer andern Ansicht ist durch das Scheitern des
Etatsgesetzes die Verfassung „unvollziehbar“ geworden, was zur
Folge haben soll, daß insoweit die absolute Machtvollkommenheit
des Monarchen, wie sie vor Erlaß der Verfassung bestand, wieder
in Kraft tritt und auf Grund dieser Machtvollkommenheit die
Regierung befugt ist, den Etat allein aufzustellend. Diese Ansicht
b Vgl. oben 882. — Übereinstimmend: v. Seydel-Graßmann, Bayer. StR
2 113; O. Mayer, Sächs. StR 206; v. Sarwey, Württ. StR 2 515 ff.;
van Calker, Hess. StR 198. .
ce Vgl. den Beschluß des preuß. Staatministeriums vom 16. Dez. 1850
nach v. Roenne-Zorn, Preuß, StR 8 124, 125; auch die dort 127 Anm. 2 an-
geführte Rede Bismarcks vom 24. Febr. 1851. In der Literatur wurde diese
nsicht einstmals von Laband vertreten (Budgetrecht 81 ff), der sie aber
später aufgegeben hat (vgl. StR 4 528). Gegen die frühere Ansicht Labands
z. B. Schulze, Preuß. StR 2 219.
d Dies war die Ansicht der konservativen Partei des preuß. Landtages
während des Budgetkonflikts 1862—1866; näheres bei Laband, Budgetrecht