Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 208. 909 
der finanziellen Selbständigkeit beider Staaten auf dem Gebiete 
des Post- und Telegraphenwesens ist der Besitz eigener Post- 
wertzeichen. Der Anspruch Bayerns und Württembergs auf den 
Bezug der in ihren Gebieten zur Hebung gelangenden Post- und 
Telegraphengebühren bat den Charakter eines Sonderrechtes und 
steht unter dem Schutze des Abs, 2 Art. 78 der Reichsverfassung. 
Die eigenen Postwertzeichen der betreffenden Staaten können daher 
im Wege der Reichsgesetzgebung nur mit deren Einwilligung oder 
dann abgeschafft werden, wenn sich ein anderer Weg finden läßt, 
durch welchen die finanziellen Berechtigungen derselben ebenso 
sichergestellt werden, wie sie es durch die jetzt bestehende Ein- 
richtung sind hyie dies durch den Postsozietätsvertrag von 190211 
zwischen dem Reich und Württemberg geschehen ist, nach dem 
Württemberg auf eigene Postwertzeichen verzichtet hat]. 
3. Steuern. Die an das Reich zu entrichtenden Steuern 
sind zum Teil durch die Reichsverfassung bestimmt, zum Teil be- 
ruhen sie auf besonderen Reichsgesetzen. Eine Beschränkung des 
Reiches auf bestimmte Steuerarten und Steuerquellen besteht nicht; 
das Reich ist befugt, im Wege der Gesetzgebung jede für seine 
Zwecke notwendige Steuer einzuführen 1%, Die jetzt bestehenden 
Reichssteuern sind teils aus historischen, teils aus Zweckmäßigkeits- 
gründen dem Reiche zugewiesen. Unmittelbar mit der Entstehungs- 
geschichte des Reiches verknüpft sind: 
a) die Zölle!®, insofern sie schon im Zollverein Gegenstand 
einer gemeinsamen Erhebung waren und demgemäß bei dem Auf- 
gehen des Zollvereing im Reiche diesem als die naturgemäßeste 
Grundlage seines Finanzwesens zugewiesen werden konnten. 
Deutschland bildet, wie dies schon zuzeiten des Zollvereius 
der Fall war, nach Art. 33, 35 RV ein einheitliches Zoll- 
und Handelsgebiet, umgeben von einer gemeinschaftlichen 
sozietätsvertrag zwischen dem Reich und Württemberg von 1902 nichts ge- 
ändert; vgl. Laband 4 384. 
11 Seydel, Die deutschen Postwertzeichen, AnnDR 1882 617 ff.; v.Sarwey, 
Württemb. StR 2 481 N. 44; Kittel, Die bayrischen Reservatrechte 61. 
1la Göz, Württ. StR 525. 
12 [Darüber ist angesichts des Art. 4 Nr. 2 RV, wonach der Reichs- 
gesetzgebung ‚die für die Zwecke des Reiches zu verwendenden Steuern 
unterliegen, ein Zweifel nicht möglich, besonders wenn man berücksichtigt, 
daß der ursprüngliche Wortlaut des Art. 70 RV_ („solange Reichssteuern 
nicht eingeführt sind“) dahin gemeint war, daß das Reich bestehende Landes- 
steuern an sich ziehen sollte; vgl. Laband, Direkte Reichssteuern (1908) 
und oben im weiteren Text. Der oft erhobene Einwand, das Reich sei zur 
Einführung dieser oder jener Steuer nicht zuständig, beruht auf politischen 
Erwägungen; früher waren es indirekte (Weinsteuer 1885), gegenwärtig sind 
es die direkten Steuern, die man dem Reich solchergestalt streitig machen 
wollte bzw. will. 
18 RV Art. 33—60, (); v. Aufseß, die Zölle und Verbrauchssteuern und 
die vertragsmäßigen auswärtigen Handelsbeziehungen des Deutschen Reiches, 
AnnDR 1898 161 ff. (4. Bearbeitung); (Zolltarifgesetz und Zolltarif vom 
25. Dezember 1902); v. Mayr-Lusensky, Art, Zollwesen im WStVR 8 
980 ff. (hier eingeh ender Literaturnachweis); Laband 4 384 ff.
	        
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