Die Funktionen. $& 208. 911
vom 8. Juli 1867 seinerseits die Fortdauer aller Bestimmungen
der früheren Verträge, soweit sie nicht abgeändert sind, anerkennt,
so hat die Vorschrift der Reichsverfassung indirekt auch jene
älteren Verträge aufrechterhalten. Die künftige Abänderung der
vertragsmäßigen Bestimmungen kann nach Art. 40 der RV auf
dem in Art. 7 bzw. 78 bezeichneten Wege erfolgen, d. h. ent-
weder auf dem der Verordnung oder auf dem des einfachen Ge-
setzes oder auf dem der Verfassungsänderung!®. Den Charakter
von Verfassungsbestimmungen besitzen: 1. die Fest-
setzungen, welche die Abgrenzung der Rechtssphäre zwischen
Einzelstaaten und Reich betreffen; 2. die Vorschriften über Gegen-
stände, welche nicht unter die gesetzgeberische Kompetenz des
Reiches fallen. Zu diesen gehören die Bestimmungen über
innere Verbrauchssteuern und Kommunikationsabgaben, namentlich
Chausseegeld, welches nach dem Zollvereinsvertrage in keinem
höheren Betrage als in dem durch den preußischen Tarif von
1828 festgesetzten erhoben werden darf. Von letzterer Bestimmung
sind Oldenburg und Schaumburg-Lippe eximiert, welche nur die
Verpflichtung übernommen haben, Ir dermaligen Sätze nicht zu
erhöhen. Die übrigen Festsetzungen der Verträge haben teils
Gesetzes-, teils Verordnungskraft. Die Ausscheidung
beider Klassen von Vorschriften ist, soweit die Verträge vom
16. Mai 1865 und 8. Juli 1867 in Betracht kommen, nach einem
formellen Kriterium möglich, indem die Bestimmungen, welche in
den Verträgen selbst enthalten sind, den Charakter von Gesetzes-
vorschriften, diejenigen, welche sich in den Schlußprotokollen
finden, den von Verordnungen besitzen. Für die älteren Ver-
träge fehlt es an einem derartigen äußerlichen Kriterium; die
Frage, ob eine Vorschrift derselben Verordnungs- oder Gesetzes-
kraft hat, kann daher nur nach Maßgabe ihres materiellen In-
halts entschieden werden. Übrigens befinden sich von diesen
älteren Vorschriften nur sehr vereinzelte noch in praktischer
Wirksamkeit !?,
18 Haenel, Vertragsmäßige Elemente 125, Deutsches Staatsrecht 1 395;
v. Rönne, StRDR 2 8 92 S. 197 fi.; Delbrück a. a. O. 1ff.; Laband, StRDR
4 397, Arndt, Verordnungsrecht des Deutschen Reiches 100 f£., Reichstaats-
recht 355 ff.; Schulze, Lehrb. d. StR 2 161; Seydel, Komm. zu Art, 40 Nr. II;
a. A.: Thudichum i. Jahrb. f. Gesg. usw. 1 9 und Zorn, Staatsr. DR 2 281,
die nur den Weg der Verfassungsänderung und Verordnung zulassen wollen.
Aber Art. 7 umfaßt sowohl Gesetzgebung als Verordnung, indem Nr. 1 auf
erstere, Nr. 2 auf letztere hindeutet.
18 Vgl. Haenel, Vertragsmäßige Elemente 127 ff,; v. Rönne a.a.0. 197;
Delbrück a. a. O. 1ff.; Laband, StRecht a, a. O. 388 ff.; H. Schulze a. a, O.
161 ff.; Seydel, Kommentar, zu Art. 40 Nr. III. — In seinem Deutschen StR
155. hat Haenel seine frühere Ansicht etwas modifiziert. Er will jetzt
allen Bestimmungen der Verträge, welche nur folgerichtige Entwicklungen
aus den in der Reichsverfassung festgestellten Grundsätzen enthalten, ledig-
lich die Kraft einfacher Gesetze zugestehen, auch wenn sie die Kompetenz-
abgrenzung zwischen Reich und Einzelstaaten zum Gegenstande haben.
Der Umstand aber, daß ein Rechtssatz sich als die weitere Ausführung