Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. & 208a. 917 
der Einzelstaaten an deren Ertrag, die zuerst auf ein Drittel, seit 
1909 auf ein Viertel und 1913 auf ein Fünftel der Roheinnahmen 
festgesetzt wurde!!, Gelegentlich der Übernahme der bis dahin 
einzelstastlichen bzw. kommunalen Wertzuwachssteuer auf das 
Reich im Jahre 1911 erfolgte sogar eine Beteiligung von Einsel- 
staaten und Gemeinden; dem Reich sollten dabei 50° der 
Steuer zukommen, auf welchen Anteil das Reich im Jahre 1913 
zugunsten der Gemeinden verzichtete!?, Diese Teilnahme der 
Einzelstaaten an Steuern des Reiches stellt sich um deswillen 
nicht als Rückfall in die Überweisungssteuern dar, weil kein Zu- 
sammenhang mehr mit den Matrikularbeiträgen besteht, sondern 
die Beteiligung ohne Rücksicht auf die Höhe der Matrikularbeiträge 
stattfindet. 
Dafür war aber Voraussetzung, daß die Matrikularbeiträge 
ihres seitherigen Charakters entkleidet wurden. Dieses geschah 
nicht durch Änderung der Verfassungsgrundsätze, sondern durch 
etatsmäßige Abmachungen zwischen Bundesrat und Reichstag bzw. 
zwischen der Reichsfinanzleitung und den einzelstaatlichen Finanz- 
verwaltungen und ergänzende Reichsgesetze. Sie gingen dahin, 
daß die Matrikularbeiträge in ihrer Höhe festgelegt und unter 
Verzicht auf etwaigen Ersatz nach Maßgabe der endgültigen Ab- 
rechnung, also als fester Einnahmeposten des Reiches zur Ver- 
fügung gestellt wurden; und zwar wurde der Betrag 1906 auf 40, 
seit 1909 auf 80 Pfennig für den Kopf der Bevölkerung fest- 
gestellt. Der Fehlbetrag wurde teils im Anleiheweg, teils durch 
neue Einnahmen gedeckt!®, Hand in Hand hiermit gingen Be- 
strebungen, die durch die seitherige Art der Reichsfinanzwirtschaft 
beträchtlich gestiegene Reichsschuld neu zu ordnen!* und eine 
feste Tilgung dieser Reichsschulden in Aussicht zu nehmen. 
Diese Lösung bedeutet aber nichts anderes, als daß man, 
wenn auch über einen rechtlichen Umweg, von der 1879 bzw. 
1904 sanktionierten föderalistischen Richtung abkehren und zu 
der ursprünglich beabsichtigten Verselbständigung der Reichsfinanz- 
wirtschaft zurückkehren will. Die Matrikularbeiträge stellen augen- 
blicklich nur noch in rechtlicher Hinsicht ein subsidiäres Deckungs- 
mittel dar, während sie tatsächlich feste Beiträge der Einzelstaaten 
zu der im übrigen in sich geschlossenen Reichsfinanzwirtschaft 
geworden sind. 
Die formalrechtliche Verquickung von Reichs- und Landes- 
finanzwirtschaft ist im wesentlichen beseitigt, wenn auch zunächst 
auf außerrechtlichem Wege. Sobald es gelingt, an Stelle der 
Matrikularbeiträge einen andern „beweglichen“ Faktor auf der 
Einnahmeseite des Reichsbudgets zu schaffen, dürfte die Um- 
wandlung in einen rechtlichen Zustand eine Frage nur noch der 
11 RG vom $. Juni 1906, 15. Juli 1909, 8. Juli 1913, 
1 RG vom 14. Febr. 1911, 8. Juli 1913. 
18 Wegen Einzelheiten vgl. Laband 4 519 ff. 
# Oben 8 208 S. 913, 914.
	        
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