918 Zweiter Teil. Drittes Buch. $& 2088.
Zeit sein, wie ja ähnlich auch der 1879 geschaffene außerrechtliche
Zustand nachträglich formell sanktioniert wurde. Besonders be-
deutsam ist in diesem Zusammenhang, daß seit 1906 auch das
ursprüngliche Programm der Übertragung bestehender Landes-.
steuern auf das Reich praktische Gestalt angenommen hat, un-
beschadet der darin liegenden „Kommunalisierung“ der. Einzel-
staaten, deren Außerer Ausdruck darin gefunden werden kann,
daß die Einzelstaaten teilweise an Stelle seither von ihnen selb-
ständig erhobener Steuern geradezu auf Zuschläge zu den neuen
Reichssteuern angewiesen wurden. Sie sind daher bestrebt, sich
die Einkommensteuer mit ihren Ergänzungen als letztes steuer-
liches Reservat zu wahren, was zu der eigentümlichen Erscheinung
geführt hat, daß das Reich die Einkommensvermehrung und das
Vermögen nur „einmalig“ (1913 und 1918), oder in seinem Zuwachs
besteuert hat. Die reinliche Scheidung der Finanzsphären von
Reich und Einzelstaaten bzw. deren Kommunalverbänden 15 jn
einem Reichs- oder Staatensteuergesetz nach der Analogie der
einzelstaatlichen Kommunalabgabengesetze steht dagegen noch
aug,.. wenn auch seit der Finanzreform von 1918 für die Aufsicht
und- Kontrolle der Reichssteuern über den Art. 36 RV hinaus ein
eiganer Verwaltungsapparat sich im Aufbau befindet !*,
- Es ist also unverkennbar, daß die augenblicklichen, sich in
Art. 70 RV spiegelnden, Grundlagen. der Reichsfinanzwirtschaft in:
einer Umbildung begriffen sind. Bis dieser Prozeß zu einem:
Abschluß gelangt ist, bleibt es rechtlich dabei, daß ein etwaiger.
Fehlbetrag des Reiches auf die Einzelstaaten umzulegen ist. Be-
sonderheiten ergeben sich bei einer solchen Umlegung aus den
verschiedenartigen Abrechnungsverhältnissen, die darauf zurück-
gehen, daß die eine oder die andere Angelegenheit "nicht allen
Einzelstaaten „gemeinschaftlich“ ist und demgemäß einzelne
Staaten an Einnahme und Ausgabe insoweit nicht teilnehmen.
So kommt es auch, daß einzelne Einzelstaaten an das Reich
besondere Beiträge zu entrichten haben dafür, daß das letztere
gewisse Geschäfte für dieselben mit besorgt. Zahlungen dieser
Art sind die Beiträge Bayerns und Württembergs zu den Kosten
der Zentralpostverwaltung, die Beiträge Preußens zu den Kosten‘
‚5 In deren finanziellen Verhältnisse hat das Reich wiederholt eingegriffen,
'Z. B. bat das Reich im ZVV $ 7 die Erhebung kommunaler Abgaben von
Wein und Branntwein untersagt; durch RG vom 27. Mai 1885 wurde den
Gemeinden die bis dahin durch Art. 5 ZVV verbotene Besteuerung der
bisher mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Verbrauchagsgenstände freigegeben,
um'.durch das Zolltarifgesetz vom 25. Dezember 1902 wieder eingeschränkt
bzw. ausgeschlössen zu werden; wegen der Wertzuwachssteuer vgl. oben
bei Anm, 12; durch das RG vom 15. April 1911 ist die Steuerpflicht des
Reichs gegenüber den Gemeinden u. weiteren Kommunalverbänden geordnet.
Über die staatsrechtliche Bedeutung dieser Eingriffe vgl, Waldecker a,a. O.
’ . oo:
16 RG über die Errichtung eines Reichsfinanzhofs und über die Reichs-
aufsicht für Zölle und Steuern vom 26. Juli1918, 8821 ff. Vgl.unten$212b Anm. e.