Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

82 Erster Teil. Erstes Buch. $ 23. 
(conclusum imperii). Als der Reichstag sich noch periodisch ver- 
sammelte, wurden die sämtlichen Schlüsse in einem Reichs- 
abschied (recessus imperii) zusammengefaßt und dieser in einer 
Sitzung des Reichstages feierlich verlesen. Die Verlesung stellte 
die Publikation des Reichabschiedes dar, welcher dadurch für alle 
Untertanen des Reiches verbindliche Kraft erhielt?®!. Mit der 
Permanenz des Reichstages kamen die Reichsabschiede in Wegfall, 
es fehlte daher an einer ordentlichen Publikation der Reichs- 
gesetze, und so entstand die Frage, ob für die Landesuntertanen 
noch eine besondere Verkündigung durch den Landesherrn er- 
forderlich sei 2?, 
Innerhalb der einzelnen Kollegien entschied Stimmen- 
mehrheit. Majoritätsbeschlüsse waren jedoch ausgeschlossen und 
eine freundliche Verständigung (amicabilis compositio) erforderlich: 
1. bei Religionsangelegenheiten, 2. da, wo iura singulorum in Frage 
standen, 3. wenn eine der beiden Religionsparteien des Reichstages, 
das corpus Catholicorum oder Evangelicorum, erklärte, eine Frage 
als Korporationsangelegenheit behandeln zu wollen, was auch ge- 
schehen konnte, wenn dieselbe mit der Religion nicht zusammen- 
hing (sogenannte itio in partes)2®, Im corpus Catholicorum führte 
Kurmainz, im corpus Evangelicorum Kursachsen den Vorsitz, auch 
nachdem das Haus katholisch geworden war. 
Im sechzehnten Jahrhundert bestand zweimal zeitweilig ein 
sogenanntes Reichsregiment°*, in welchem der Kaiser, die 
Kurfürsten und einzelne andere Stände teils persönlich, teils durch 
Gesandte vertreten waren und welches die Verwaltung des Reiches 
führend, namentlich Recht und Frieden handhaben sollte. Seit 
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts trat an dessen Stelle die 
ordentliche Reichsdeputation, welche’ in der Zeit, wo 
kein Reichstag gehalten wurde, zusammen mit den Kreisen für die 
Aufrechterhaltung des Landfriedens zu sorgen hatte. Im Dreißig- 
jährigen Kriege kam sie, ebenso wie die Reichstage, außer Ge- 
brauch und wurde auch nach dem Westfälischen Frieden nicht 
2ı Pfeffinger, Corpus iuris publiei Lib. IV Tit. I $ 102. 
*2 Häberlin 8 222 bejaht die Notwendigkeit der landesherrlichen 
Publikation, zweifelnd dagegen Jellinek, Staatsl. 749 Anm. 2. Die obersten 
Reichsgerichte wandten Reichsgesetze, insbesondere solche mit dem Charakter 
von Privilegien (z. B. privilegia de non appellando) erst an, nachdem sie 
ihnen durch kaiserliches Modifikationsdekret mitgeteilt („intimiert*) worden 
waren: Perels, Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Brandenburg- 
Preußen (Zeumer, Quellen u, Studien III Heft I, 1903), 13, 14. 
3° Instr. pac. Osnabr. Art. V $ 52; Pütter, Inst. $ 176 und 177. Vgl. 
Haenel, Vertragsmäßige Elemente 183 ff.; Laband, Der Begriff der Sonder- 
rechte nach deutschem Reichsrecht, Ann.D.R. (1874) 1489 ff. 
2 Regimentsordnung anno 1500 auf dem Reichstage zu Augsburg auf- 
gerichtet (Neue Sammlung 2% 56 ff... Römischer Königl. Majestät Regiment, 
auf dem Reichstage zu Worms a. 1521 aufgerichtet (ebendas. 72 ff.); Zeumer, 
Quellensammlung 297, 318 ff.; frühere Reformversuche das. 210 ff. Vgl. 
V. v. Kraus, Das Nürnberger Reichsregiment, Innshruck 1883; Lamprecht, 
Deutsche Geschichte 5s 24 fl.; Ulmann, Maximilian I. a. a. O.
	        
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