930 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 211.
staatlichen durchaus unabhängig ist und alles sichtbare nutzbare
Eigentum im Gemeindebezirk zu treffen sucht, hat sich in Frank-
reich ein System von Zuschlägen zu den Staatssteuern
ausgebildet, indem sowohl für die Departements als für die Aron-
dissements und Gemeinden sogenannte centimes additionnels zu
den direkten Staatssteuern erhoben werden. Die Hauptein-
nahmequelle der größeren Gemeinden Frankreichs ist jedoch der
Octroi, eine indirekte Steuer von Gegenständen des täglichen
Verbrauchs. [Beide Vorbilder haben entsprechend dem Einfluß
des englischen und französischen Gemeinderechts auf die Aus-
gestaltung der deutschen Gemeindefinanzen eingewirkt. So führte
in Preußen? und Hessen® die Entwicklun der Gemeinden als
selbständiger Kommunalverbände auch zu ihrer finanziellen Ver-
selbständigung, indem ihnen der Staat in erster Linie — neben
den Einnahmen aus werbenden Anlagen, Gebühren und Bei-
trägen — die von ihm aufgegebenen Ertragsteuern vom Grund-.
besitz, Häusern, Gewerbebetrieb (und in Hessen Kapitalrente) als’
Hauptsteuer zuwies, neben denen nur in beschränktem Umfange
Zuschläge zur staatlichen Einkommensteuer zulässig sind. Dabei
besteht eine weitgehende Möglichkeit, die Ertragsteuern durch
Gemeindebeschluß unter Bestätigung der Aufsichtsbehörden den.
örtlichen Bedürfnissen anzupassen. Jn anderen Staaten ist es
bisher nicht gelungen, ein selbständiges Gemeindesteuersystem
aufzubauen; so kommt es, daß in Bayern*, Württemberg und
Baden ® die Gemeinden vorwiegend auf privatwirtschaftliche Ein-
nahmen, Gebühren, Sporteln und Taxen angewiesen sind, neben
denen Zuschläge zu den Staatssteuern erhoben werden. In Sachsen
erfreuen sich die Gemeinden einer weitgehenden Autonomie hin-
sichtlich ihrer Finanzgebahrung”?. Überall findet sich die Möglich-
keit, mitunter der Zwang zur Einführung gewisser Sondersteuern
(Hunde-, Grundwert-, Lustbarkeits-, Warenhaussteuer uw.) die
z. T. nach staatlichen Gesetzen erhoben werden und nur im Ertrag‘
der Gemeinde zugute kommen. In Süddeutschland spielen auch
die indirekten Abgaben noch eine Rolle, soweit hier nicht die
Zollgesetzgebung des Reiches eingegriffen hat®. In Elsaß-Lothringen
werden Zuschläge zu den staatlichen Steuern erhoben, ferner in.
dem reichsgesetzlich zugelassenen Umfang Oktrois, sowie nach
Maßgabe eines Gesetzes vom 14. Dezember 1909 Grundwert-,
Warenhaus-, Hunde-, Wirtschaftskonzessionsabgaben und Kurtaxe.]
Die Feststellung des Gemeindehaushaltsetats und die
Prüfung der Gemeinderechnungen geschieht überall unter
8 Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893.
8 4UmliG vom 8. Juli 1911.
* GUmlG vom 22. Aug. 1910.
° G. vom 8. Aug. 1903.
® G.- u. StO vom 19. Okt. 1906 93 68—100.
!'v. Nostiz in Schr. V. f. Soz. Pol. 126 245; Schanz, Fin.Arch 21 816 f.
8 Vgl. oben $S. 918 Anm. 15. -