Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

938 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 212a. 
II. Die Reichsaufsicht über die Einzelstaaten .. 
8 2128. 
[Art. 4 der Reichsverfassung sagt: „Der Beaufsichtigung 
seitens des Reiches und der Gesetzgebung desselben unterliegen 
die nachstehenden Angelegenheiten ..... .*b, Gegenstand der 
hierdurch dem Reiche übertragenen Aufsichtsgewalt ist indes nicht 
der im Art. 4 aufzählend bestimmte Umkreis von „Angelegen- 
heiten“ (d. h. Stastatätigkeitsgebieten ), sondern die Tätigkeit 
der Einzelstaaten in bezug auf diese Angelegenheiten. Der 
Wirkungskreis der Reichsaufsicht deckt sich gegenständlich mit 
dem der Gesetzgebung des Reiches. Wo ein Recht des Reiches 
zur Gesetzgebung nicht besteht, fehlt auch das Recht zur Be- 
aufsichtigung. Daher erstreckt sich in den Einzelstaaten, welche 
hinsichtlich einer sonst der Reichsgesetzgebung unterliegenden 
Materie von der Gesetzgebungshoheit des Reiches eximiert sind, 
die Reichsaufsicht nicht auf die einschlägige Tätigkeit dieser 
Einzelstaatend. Andererseits greift in solchen Angelegenheiten, 
welche, obwohl im Art. 4 nicht mit aufgezählt, doch der Gesetz- 
gebungshoheit des Reiches, sei es kraft anderweiter Bestimmungen 
der Verfassung, sei es kraft allgemeiner Grundsätze unterliegen, 
auch das Aufsichtsrecht des Reiches ohne weiteres Platz. 
In den ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit vorbehaltenen, ins- 
besondere also den im Art. 4 nicht erwähnten Angelegenheiten, 
sind die Einzelstaaten von Reichsaufsicht frei. Die letztere er- 
streckt sich hier nur darauf, daß die Einzelstaaten die Grenzen 
ihrer Autonomie nicht zum Nachteil des Reiches tberschreiten 
und dadurch eine Verletzung der ihnen obliegenden „verfassungs- 
mäßigen Bundespflichten“ (s. o. 937) begehenf. So ist das Reich 
beispielsweise befugt, die auswärtige Tätigkeit der Einzelstaaten 
s Literatur. An der Spitze steht jetzt Triepel, Die Reichsaufsicht; 
Untersuchungen zum Staatsrecht des Deutschen Reiches (1917), [Ein weit 
ausholendes und tiefdringendes Werk, für welches die Bezeichnung als 
eines „deutschen Reichsstaatsrechts sub specie der Reichsaufsicht“ (S. 6) 
keineswegs zu anspruchsvoll ist.] Aus der früheren Literatur: v. Roenne, 
Staatsr. d. Deutsch, Reiches (2. Aufl.) 263 ff.; Rümelin, Das Beaufsichtigungs- 
recht des Deutschen Reiches, ZStaatsWiss 89 195 ff.; Laband 1 107 fi., der- 
selbe, DJZ 11 (1906) 613 ff.; Haenel, Staater. 299 #.; Anschütz, Enzykl. 72 ff.; 
Kiefer, Das Aufsichtsrecht des Reiches über die Einzelstaaten (Brie-Fleisch- 
manns Abhandlungen Heft 18); Seydel, Komm. 59 ff. ; Dambitsch, RVerf 100 ff.; 
Thoma, Gutachten über die Frage: Liegt ein Bedürfnis eines deutschen 
Reichsverwaltungsgerichts vor? Vhdign. d. 30. deutschen Juristentages 65 ff. 
b Oben $ 80 S. 260 ff. 
e Anschütz, Enzykl. 70. 
q Yel. oben 8 164 S.698 ff. Übereinstimmend Triepel, Reichsaufsicht 357. 
e Über solche Gesetzgebungskompetenzen: Triepel a. a. O. 856 ff. und 
in seiner Abhandlung über die Kompetenzen des Bundesstaats und die ge- 
schriebene Verfassung, in der Festschrift f. Laband (1908) 286 ff. Vgl. auch 
Anschütz, Enzykl. 70, 159. 
f Eingehende Ausführungen hierüber bei T'riepel, Reichsaufsicht 359 ff., 
363 ff. Vgl. auch Anschütz, Enzykl. 73.
	        
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