Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

942 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 212b. 
werden; das Recht, den vorgefundenen Mangel selbsttätig, ohne 
und wider den Willen der beteiligten Einzelstaaten abzustellen, 
steht dem Kaiser nicht zud, Gehilfen und Organe des Kaisers in 
Aufsichtssachen sind der Reichskanzler und die ihm unterstellten, 
mit der Handhabung des Aufsichtsrechts in den einzelnen Ver- 
waltungszweigen betrauten Reichsbehörden und -beamten: die 
obersten Reichsämter (oben $ 136 S. 533 ff.), insbesondere das 
Reichseisenbahnamt (S. 535), die vom Kaiser gemäß Art. 36 RVerf 
zu ernennenden Aufsichtsbeamten der Zoll- und Steuerverwaltung, 
die Reichskommission für das Auswanderungswesenf und andere 
zur Überwachung der Einzelstaaten in bestimmten Angelegenheiten 
dienende Spezialorganeg. Die Vertretung des Reichskanzlers im 
Erlaß aufsichtlicher Verfügungen an die Einzelstaaten sowie in 
der Gegenzeichnung kaiserlicher Anordnungen aufsichtlichen In- 
halts steht nur dem Generalstellvertreter des Reichskanzlers (Vize- 
kanzler), nicht den Spezialstellvertretern zuh. 
  
  
d Ausgeuommen von diesem Grundsatz ist die Beaufsichtigung der 
einzelstaatlichen Tätigkeit auf dem Gebiete des Heerwesens. Auf diesem 
Gebiete steht dem Kaiser nicht nur die „beobachtende“, sondern auch die 
„berichtigende“ (Triepel 120, 526) Aufsicht zu; er ist nicht nur berechtigt 
sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen 
Kontingente zu überzeugen“, sondern auch, „die Abstellung der dabei vor- 
gefundenen Mängel anzuordnen“ (Art. 63 Abs. 3 RVerf.; vgl.oben $ 196 S. 844). 
e Diese Funktionäre („Reichsbevollmächtigte“ bei den einzelstaatlichen 
Direktivbehörden e B. den preußischen Oberzolldirektionen], „Stations- 
kontrolleure“ (bei den Zoll- und Steuerämtern) müssen nach Art. 36 Abs. 2 
RVerf Reichsbeamte sein. Die herrschende Praxis, welche die im Art. 36 
vorgesehenen Aufsichtsgeschäfte kommissarisch durch Landesbeamte ver- 
walten läßt, ist mit der Verfassung nicht vereinbar. A. M. Dambitsch 
a. a. OÖ. 507, richtig Triepel 598 ff. Vgl. nunmehr $$ 21—26 des RGes. über 
die Errichtung eines Reichsfinanzhofs vom 26. Juli 1918 (unten im Nachtrag). 
f RG. über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897, $ 41. 
8 Vgl. Triepel 298 ff., 572 ff. 
h Vgl. oben $ 135a S. 531. Die dort und oben im Text vertretene 
Ansicht ist die herrschende: vgl. Laband 1 113, 384; Haenel 310; Seydel, 
Komm. 180; Triepel 952 ff., 558, 5861; Jo&l, AnnDR 1878 767 ff., 774 ff., weitere 
Zitate bei Triepel 555 Anm. 1. Sie fußt auf 8 2 Satz 2 des Stellvertretungs- 
es. vom 17. März 1878 (oben $ 135a), wonach Spezialstelivertreter des 
eichskanzlers nur ernannt werden können für solche Amtszweige, welche 
sich in der „eigenen und unmittelbaren Verwaltung“ des Reiches befinden. 
Die bloß beaufsichtigende steht aber gerade im Gegensatz zu der „eigenen 
und unmittelbaren“ Verwaltung. Mithin kann sich die Vertretungsmacht 
des Spezialstellvertreters auf die in seinem Ressort vorkommenden aufsicht- 
lichen Geschäfte nicht erstrecken und die einzelstaatlichen Regierungen 
haben ein Recht darauf, daß die an sie ergehenden Aufsichtsverfügungen 
der Reichsleitung, mögen sie auch in den einzelnen Reichsämtern (z. B. im 
Reichsamt des Innern oder im Reichsschatzamt) vorbereitet sein, nicht von 
dem betreffenden Staatssekretär, sondern vom Reichskanzler selbst, oder 
dessen Generalstellvertreter, unterzeichnet werden. Im Gegensatz hierzu 
halten Zorn. Staatsr. 1 266 ff,, Smend, AnnDR 1906 331 ff., Dambitsch a. a. O. 
375 ff. die Übertragung aufsichtlicher Funktionen wenigstens an diejenigen 
Spezialstellvertreter für zulässig, deren Ressort in der Hauptsache durch 
reichseigene Verwaltungstätigkeit ausgefüllt ist. Diese Ansicht stützt sich 
vornehmlich auf einen Satz der Begründung zum Stellv.Ges. v. 1878, der
	        
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