Rechtsverhältnisse der Untertanen. 8 214. 047
Außer diesen Rechten besteht noch
4. das Recht der Petition und Beschwerde. Das-
selbe ist jedoch kein selbständiges Recht mit besonderem materiellen
Inhalt, sondern nur ein Mittel zur Aufrechterhaltung der übrigen
Rechte, —
Im Deutschen Reiche als einem zusammengesetzten Staate
steht der Einzelne in einem doppelten Verhältnis. Er ist sowohl
dem Reiche als den Einzelstaaten durch Pflichten verbunden und
er hat beiden gegenüber Rechte in Anspruch zu nehmen,
8 214.
Der Staatsherrschaft sind nicht nur die Staatsangehörigen,
sondern auch die im Staatsgebiet sich aufhaltenden Ausländer
unterworfen. Aber das Verhältnis der Staatsangehörigen zum
Staate ist intensiver als das der Ausländer. Es liegen ihnen so-
wohl Pflichten ob, zu denen die Ausländer nicht verbunden sind,
als sie andererseits Rechte besitzen, welche diese nicht in Anspruch
nehmen können!,
In Bundesstaaten, wo ein doppeltos Unterwerfungsverhältnis
besteht, bildet sich eine dreifache Gliederung von Personen.
Für den Bund, in Deutschland also für das Reich, gibt es
nur den Unterschied von Bundes-(Reichs)-angehörigen
und Ausländern. Für die Einzelstaaten ist dagegen die
Unterscheidung dreifach: Staatsangehörige des betreffenden Einzel-
staates, Staatsangehörige anderer Bundesstaaten und Ausländer.
Im Deutschen Reiche sind aber durch eine ausdrückliche Be-
stimmung der’ Reichsverfassung die Angehörigen der einzelnen
deutschen Staaten auch in ihrem Verhältnis zum Einzelstaat wesent-
lich gleichgestellt worden, Es besteht für ganz Deutschland ein
gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige
eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaste als Inländer
zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbe-
betrieb, zu öffentlichen Amtern, zur Erwerbung von Grundstücken,
zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller
sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen
wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechts-
verfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln
ist?. Die Zugehörigkeit zu einem deutschen Einzelstaate hat daher
ı Zorn, Art. Ausland, Ausländer im WStVR 1 258 ff.; v. Frisch, Das
Fremdenrecht, die staatsrechtl. Stellung der Fremden (1910); Stoerk in
v. Holtzendorffs Handb. d. Völkerrechts 2 585 ff.;, Anschütz, Komm. z. preuß.
Verf. 1 99 &.: W. Beutner, Die Rechtsstellung der Ausländer nach Titel I
der preuß. Verfass.-Urk. (Zorn u. Stier-Somlo, Abhandlungen XU, 2). F. Leh-
mann, Grund- oder Freiheitsrechte d. Ausländer (Kieler Diss. 1913).
2 RVerf Art. 3. — Vgl. die Kommentare zur RVerf von Seydel, Arndt,
Dambitsch zu Art. 8; Laband 1 182ff.; Brückner, Uber das gemeinsame
Indigenat im Gebiete des Norddeutschen Bundes, Gotha 1867; v. Kräwel,
Der Einfluß des Art. 3 der deutschen Reichsverfassung auf die Zuständig-
keit der Landesgerichte, Zeitschrift für Gesetzgebung und Praxis auf dem
@. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. III. 7. Aufl. 61