Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 215. 951
Ausweisungs- noch Auslieferungsbefugnisse der Behörden in An-
wendung gebracht werden dürfen. Es hat mithin denselben Cha-
rakter wie diejenigen Rechte, welche an einer späteren Stelle als
individuelle Freiheitsrechte bezeichnet werden.
3. Das Wohnrecht im Staatsgebiet (Einzelstaatsgebict)
hat seine Bedeutnng fast völlig verloren, es ist vom Wohnrecht
im Reichsgebiet absorbiert worden. Schon das Gesetz tiber die
Rechtshilfe verpflichtete die einzelnen deutschen Staaten, auch
ihre eigenen Sfaatsangehörigen unter gewissen Bedingungen an
andere deutsche Staaten auszuliefern?°. Nach den Reichsjustiz-
gesetzen ist jedes deutsche Gericht befugt, Verhaftungen in jedem
andern Gerichtsbezirk des Deutschen Reiches zu verfügen !!, Die
Aufenthaltsbeschränknngen, welchen bestrafte Personen unter- '
liegen!®, sind von der Staatsangehörigkeit durchaus unabhängig,
[doch äußert das Wohnrecht im Staatsgebiet hier insofern noch
eine Wirkung, als solchen Personen der Aufenthalt zwar in jedem
andern Einzelstaate (mit Ausnahme dessen, der die Aufenthalts-
beschränkung verhängt hat), nicht aber in ihrem Heimatsstaate
(dem Einzelstaate, dem sie angehören) untersagt werden kann!?].
Ein Deutscher, welcher der Armenunterstützung verfallen ist,
kann aus seinem Heimatsstaate in einen andern deutschen Staat
verwiesen werden, wenn er in diesem einen Unterstützungs-
wohnsitz hat.
II. Anspruch auf staatlichen Schutz und Fürsorge.
8 216.
Der Staat entwickelt eine umfassende Tätigkeit im Interesse
seiner Untertanen, welche sich in Gewährung von Schutz und
ı° RG., betr. die Gewährung der Rechtshilfe, vom 21. Juni 1869 88 21 ff.,
namentlich Vv 2.
ıı RGVG 8 161, GStPrO & 131, 132, 187.
1° Freizüg.-G. $ 8. Val . Meyer-Dochow a. a. O..111 ff
13 [Im $ 3 Abs. 2 des izüg.-Ges. heißt es zwar: „Solchen (d. h. be-
straften) Personen, welche derartigen Aufenthaltsbeschränkungen in einem
Bundesstaate unterlicgen,... kann der Aufenthalt in jedem anderen
Bundesstaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden“, und
würde hiernach, wenn man sich einfach an den Wortlaut hält, die Aus-
weisung aus jedem „andern“ (der im Gegensatz hierzu stehende „eine“
Staat ist der Staat der verhängten Aufenthaltsbeschränkung) Staate, mithin
auch aus dem Staate, dem der Auszuweisende angehört, zulässig sein.
ist 53 Abs. 2 a.a, Ö. in der Tat auch vielfae ausgelegt worden (ins-
besondere von G. Meyer, Voraufl. 796, 797 und Verwaltungsrecht, 2. Aufl,
1 121). Doch steht diese Auslegung im Widerspruch mit der Absicht des
Gesetzgebers, welcher die Unzulässigkeit der Ausweisung aus dem Heimat-
staate für selbstverständlich hielt. In diesem Sinne hat sich auch der Bundes-
ratbeschluß vom 9. Juni 1894, veröffentlicht z. B. im preuß. Min.-Bl. d., inn.
V. 147 — ausgesprochen, Wie im Text die jetzt überwiegende Meinung;
vgl. Laband 6. ufl.) 1 159 (früher anders, vgl. 2. Aufl. 1 151); @. Meyer-
Dochow a. a. O. 112, 118; Kutzer WStVR 1 856, mit Zitaten).
81 s Ra über den Untertsützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 (80. Mai 1909),
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