Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

052 Zweiter Teil. Viertes Buch. $ 216. 
Fürsorge äußert. Ein Teil dieser Tätigkeiten ist lediglich durch 
objektives Recht geregelt, so daß in bezug auf dieselben subjektive 
Rechte der Einzelnen nicht bestehen und die Wohltaten, welche 
letzteren infolge davon zuteil werden, lediglich Reflexwirkungen 
des objektiven Rechtes sind!. Ein sehr erheblicher Teil der staat- 
lichen Tätigkeiten ist aber dem Staate in dem Sinne zur Pflicht 
gemacht, daß die Einzelnen einen Rechtsanspruch auf Vornahme 
derselben besitzen. Dieser Anspruch geht auf,ein positives 
Handeln des Staates; er kann, da bei Ausübung der betreffenden 
Tätigkeiten verschiedene Gemeinwesen beteiligt sind, sowohl gegen- 
über dem Reiche als gegenüber den Einzelstaaten als gegenüber 
den Kommunalverbänden bestehen. 
Diese Ansprüche der Einzelnen sind: 
1. Anspruch auf Schutz gegenüber anderen 
Staaten. Dieser Schutz wird nur den Staatsangehörigen ge- 
währt. In Deutschland haben alle Reichsangehörigen gleichmäßig 
Anspruch auf den Schutz des Reiches?. Die Staatsangehörigen 
derjenigen Staaten, welche eigene Gesandtschaften im Auslande 
unterhalten, können sich vorkommendenfalls außer an den Reichs- 
gesandten auch an den speziellen Gesandten ihres Heimatsstaates 
wenden®. Nicht-Reichsangehörige haben keinerlei Recht auf 
völkerrechtlichen Schutz seitens des Reiches oder der Einzel- 
staaten. Die Reichsflagge dürfen daher auch nur solche Kauf- 
fahrteischiffe führen, welche sich im ausschließlichen Eigentum von 
Reichsangehörigen oder juristischen Personen befinden, die ihren 
Sitz im Bundesgebiet haben, vorausgesetzt, daß bei den offenen 
Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften alle persönlich 
haftenden Mitglieder Reichsangehörige sind‘. 
2. Anspruch auf Rechtsschutz°®. Dieser wird zum 
1 So entspricht z. B, in Deutschland der staatlichen und kommunalen 
Pflicht der Armenpflege kein subjektives Recht des Einzelnen auf Armen- 
unterstützun G über den Unterstützungswohnsitz & 61; dazu der Kom- 
mentar von Wohlers-Krech (18, Aufl.) 83; Fleiner, Institutionen 164 Anm. 22). 
3 RVerf Art. 8. Seydel-Piloty, Bayerisches Staatsrecht 1 173 Anm. 55 
will dem Anspruch auf Schutz gegenüber anderen Staaten den Charakter 
eines subjektiven Rechtes absprechen, Jellinek a.a.O. 119 Anm. 2 erkennt 
an, daß ein materieller Anspruch vorliegt, der sich aber wegen des 
Fehlens eines Rechtsmittels formell nur als Reflex objektiven Rechtes 
darstellt. Für den Bestand eines subjektiven Rechtes auf Schutz: Laband 
1 152 N. 2; Stoerk in v. Holtzendorfis Handbuch des Völkerrechtes 2 633, 
635; Dantscher v. Kollesberg a. a. O. Lief. 25.50 N. 1; Anschütz, Enzykl. 89. 
* Laband 159; Thudichum in v. Holtzendorfis Jahrbuch für Gesetz- 
ebung usw. des Deutschen Reiches 4 841. Die Ansicht R. v. Mohls, 
Reichsstaatsrecht 55, daß der Staatsangehörige sich immer zuerst an den 
Gesandten seines Staates und erst eventuell an den Reichsgesandten zu 
wenden habe, ist mit Art. 3 Abs. 6 der RVerf nicht vereinbar. 
« No betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom 22. Juni 1899. 
s Über den Anspruch auf Rechtsschutz vgl. Jellinek a. a. O. 124 ff.; 
Laband 8 372. und die bei Jellinek 124, 125 Laband 373 N. 1 angeführte 
Literatur; ferner Haenel, Staatsrecht 1118 ff.; Gierke, Deutsch. PrivR 1 323; 
O. Mayer, VerwaltR (2. Aufl.) 1 112; Hellwig, System des Zivilprozeßrechts 
(1912) 281 ff.; Fleiner, Institut. 167.
	        
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