Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Bechtsverhältnisse der Untertanen. $ 218. 057 
und Ruhe oder im eigenen Interesse der verhafteten Person vor- 
genommen wird. 
Während noch in der Peinlichen Gerichtsordnung von 1532 
das Bestreben hervortritt, den Angeklagten gegen jede ungerecht- 
fertigte Verhaftung zu schützen, hatte sich unter dem Einfluß des 
Inquisitionsprozesses ein fast unbeschränktes Verhaftungsrecht des 
Richters ausgebildet. Von dem polizeilichen Verhaftungsrecht war 
dieses schon deshalb nicht streng geschieden, weil richterliche und 
Verwaltungsfunktionen zu jener Zeit meist in einer Hand vereinigt 
waren. Jedenfalls galt die Polizei für befugt, ebensogut wie die 
Strafjustiz, Verhaftungen vorzunehmen, und zwar nicht bloß wegen 
begangener Verbrechen, sondern auch zur Verhinderung derselben ®, 
sowie überhaupt zum Schutze der öffentlichen oder privaten 
Sicherheit. 
Die Verfassungen suchten diese Befugnis einzuschränken und 
bestimmten meist, daß eine Verhaftung nur in den gesetzlich be- 
stimmten Fällen und unter Wahrung der gesetzlich vorgeschrie- 
benen Formen erfolgen dürfe®, Da man dabei wesentlich die 
strafprozessualische Verhaftung im Auge hatte, so erfolgte die 
nähere gesetzliche Regelung gewöhnlich durch die Strafprozeß- 
ordnungen. Diese setzten als Erfordernis der Verhaftung den 
Erlaß eines Haftbefehls seitens des Richters fest und gestatteten 
daneben ausnahmsweise (im Fall der Ergreifung auf frischer Tat, 
bei Gefahr der Flucht usw.) ein Einschreiten der Polizeibehörden 
ohne Haftbefehl. Daneben blieb jedoch die polizeiliche Verhaftung, 
d. h. diejenige, welche nicht wegen eines begangenen Verbrechens, 
sondern im Interesse der öffentlichen oder privaten Sicherheit 
stattfindet, ohne speziellere gesetzliche Regelung fortbestehen. Nur 
wenige Gesetzgebungen haben dieselbe zu einem Gegenstande aus- 
drücklicher Regelung gemacht®. 
Durch die RStPO ist die strafprozessualische Ver- 
ı L. v. Stein, Yerwaltungelehre 4 140 ff.,;, Meyer-Dochow 148, 144; 
O. Mayer, VerwR (2. Aufl.) 1 312ff., 316 ff.; Seuffert, Art. Verhaftung in 
v. Stengels Wörterb.; Mittermaier, Art. Verhaftung im WStVR; Art. Freiheit 
(persön iche) in v. Bitters Handwörterb, d. preuß. Verwaltung; Anschütz, 
omm. z. preuß. Verfass. 1132 ff.; Thoma, Polizeibefehl 91, 92; Kitzinger, Ver- 
hinderung strafbarer Handlungen durch Polizeigewalt (1913) 209 8; . Mayer, 
Deutsch. VerwR 1 564 ff. 
2 Lotz, Uber Verhältnis der Polizei zur Kriminaljustiz, Neues Archiv 
des Kriminalrechtes 4 134 ff., 188 ff. 
® Erkl. der Menschenrechte | 7, Franz, Verf. vom 3. Sept. 1791, Franz. 
Charte vom 14. Juni 1814 & 4, Belg. Verf. Art. 7, Preuß, Vert.#Art. 5, Bayr. 
Verf. Tit. IV $ 8, Sächs. Verf. $ 27, Württ. Verf. 52, Bad, Verf. $ 15, 
Hess. Verf. $ ‚8.Alt. GG 8 51, 8.-Kob.-Goth. StGG 8 32, Wald. Verf. 
8 29, Brem. Verf. $ 7. 
* Preuß. G. zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 12. Febr. 1850, 
Bayr. AusfG zur RStrPrO vom 18. Aug. 1879 Art. 102, Württ.G. v. 12. Aug. 
1879 Art. 2, Bad. Pol. Str&B $ 30, Oldenb. StGG Art. 89 $ 4, Hamb. G., 
betr. das Verhältnis der Verwaltung zur Rechtspflege, vom 23. April 1879 
} 23, Lüb. Ges, die Strafbefugnis der Polizei- und Verwaltungsbehörden 
etr., vom 16. Juni 1879 $ 4.
	        
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