Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

86 Erster Teil. Erstes Buch. $ 2. 
in Verbindung mit dem Gericht!5, und schließlich dem Gerichte 
allein !® übertragen. Doch blieb dem Kaiser die Ernennung des 
Kammerrichters, der beiden Grafen und Herren und die von vier 
Beisitzern vorbehalten’. Seit dem Augsburger Religionsfrieden 
mußte ein Teil der Stellen mit Evangelischen besetzt werden !®, 
Durch den Westfälischen Frieden!P wurde bestimmt, daß der 
Kammerrichter und die vier Präsidenten, unter denen zwei Pro- 
testanten sein sollten, vom Kaiser ernannt würden. Von den 50 
Beisitzern waren 26 von den katholischen Reichsständen, darunter 
zwei vom Kaiser, 24 von den protestantischen zu präsentieren. Bei 
Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten sollte, wenn 
eine der beiden Parteien reichsunmittelbar war, eine gleiche An- 
zahl katholischer und protestantischer Beisitzer zugezogen werden?®., 
Auch war im Falle der Einstimmigkeit beider Religionsteile eine 
itio in partes gestattet, welche die Folge hatte, daß die Sache zur 
Entscheidung an den Reichstag gelangte®!. Nach stattgehabter 
Verminderung der Zahl der Beisitzer auf 25 und der Präsidenten 
auf 2 wurden der Kammerrichter und die beiden Präsidenten, 
darunter ein Protestant, vom Kaiser ernannt. Der Kaiser präsen- 
tierte außerdem einen, die katholischen Reichsstände 12 und die 
protestantischen ebenfalls 12 Beisitzer *®. 
Die Kompetenz des Kammergerichte war folgende: In 
Streitsachen gegen Reichsunmittelbare fungierte es, wenn 
dieselben keine Austräge besaßen, als erste, sonst als zweite 
Instanz2®, Dagegen durften Klagen gegen Mittelbare in erster 
Instanz nicht beim Reichskammergericht angebracht werden ®t, 
Durch diese Bestimmung wurde im wesentlichen derjenige Zustand 
gesetzlich sanktioniert, welcher in den letzten Jahrhunderten des 
Mittelalters durch die Erteilung der privilegia de non evocando 
tatsächlich hergestellt war, d. h. die konkurrierende Gerichts- 
barkeit der Reichsgerichte mit den Landesgerichten beseitigt. Für 
die Mittelbaren hatte das Reichskammergericht lediglich den Cha- 
rakter einer höchsten Appellationsiustanz?*. An dasselbe konnte 
von allen Urteilen der Landesgerichte in Zivilsachen appelliert 
werden, wenn der Wert der Streitsache eine bestimmte Summe, 
18 K, G. O. von 1521 Tit.VIS 1. 
16 R.A. zu Augsburg von 1530 876. K.G.O. von 1555 T. I Tit. 4 $ 4. 
1 K.G.O. von 1521 Tit. IV $ 1, von 1555 T. [I Tit. 18 8. 
18 R. A. zu Augsburg von 1555 $ 106. K.G.O. von 1555 T. I Tit.3 8 3, 
19 Instr. pac. Osnabr. Art. V $ 53. 
2° Instr. pac. Osnabr. a. a. O. $ 54. 
21 Instr. pac. Osnabr. a. a. O. 8 56. 
382 Häberlin, St.R. 88 266—269; Leist, St.R. SS 126—127. 
sK.G.O. von 1495 S$ 28 u. 30. von 1555 T. II Tit. 2—5 und 27. 
Näheres, insbesondere über Klagen der Untertanen gegen ihre Landesherren 
wegen Mißbrauchs der Landeshoheit: Loening, Verw.Arch. 2 220ff. Vgl. 
auch Smend, Brandenburg-Preußen und das Reichskammergericht, in den 
brandenb -preuß. Forschungen 20 465 ff. 
“* K G. 0. von 1495 $ 29, von 1521 Tit. 22, von 1555 T. U Tit.1 8 1. 
2° K. G. O. von 1555 T. II Tit. 283 $$ 1 u. 2.
	        
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