Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 220. 065
Josephs II. folgte auch Österreich auf kurze Zeit dem preußi-
schen Beispiele.
Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803
entstand in Deutschland eine größere Zahl von Territorien mit
konfessionell gemischter Bevölkerung. Indem das genannte Reichs-
gesetz bestimmte, daß in den säkularisierten Ländern die bisherige
Religionsübung geschützt werden sollte®, zog es dem Reformations-
recht der Landesherren weitere Schranken. In der Rhein-
bundszeit wurde dasselbe noch mehr eingeengt, indem die dem
Rheinbund beitretenden protestantischen Fürsten in den soge-
nannten Akzessionsurkunden vielfach die Verpflichtung über-
nahmen, der katholischen Kirche eine gleichberechtigte Stellung
mit der protestantischen einzuräumen und die Angehörigen beider
Kirchen in gleicher Weise zum Genuß der bürgerlichen Rechte
zuzulassen.
.Es war daher wesentlich nur eine Bestätigung der inzwischen
entstandenen Rechtszustände, wenn Art. 16 der deutschen
Bundesakte den Grundsatz aufstellte, daß die Verschiedenheit
der christlichen Religionsparteien keinen Unterschied im Genuß
der bürgerlichen und politischen Rechte begründe. Christliche
Religionsparteien im Sinne der BA waren die anerkannten drei
Hauptkirchen Deutschlands, die katholische, lutherische und refor-
mierte. Dagegen bezogen sich die Bestimmungen derselben weder
auf die kleineren christlichea Religionsgemeinschaften, noch auf
die Bekenner des jüdischen Glaubens. Auf demselben Standpunkte
blieben die vor dem Jahre 1848 erlassenen Verfassungen der
Einzelstaaten stehen. Sie sprachen zwar für alle Staats-
angehörigen den Grundsatz der Gewissensfreiheit aus und be-
seitigten damit die in bezug auf gewisse Konfessionen bestehenden
Verbote. Dagegen gestanden sie den Vollgenuß der bürgerlichen
und politischen Rechte nur den drei anerkannten christlichen
Religionsparteien zu!®. Nur ausnahmsweise waren denselben die
Anhänger der kleinen christlichen Religionsgemeinschaften gleich-
gestellt!!. Die Juden dagegen befanden sich in allen deutschen
Staaten in einer rechtlich schlechteren Lage !?,
Vgl. Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands,
Leipzig 1908 S. 311 ff.
® RDHS $ 68.
10 Bayer. Verf. Tit. IV 8 9 Beil. II, Rel. Ed. $ 1, Ausdehnung der Be-
stimmung auf die griechischen Glaubensgenossen durch VerfG vom 1. Juli
1834, Sächs. Verf. $ 32, 33, Württ. Verf. $ 27, Bad. Verf. 88 9, 18, 19, Hess.
Verf, $$ 20-28, S.Mein. GG $ 12, 8.Alt. G@ $ 42, Braunschw, NLO
12 So in Preußen nach den Bestimmungen des ALR, welche durch
Patent vom 30. März 1847 auf das ganze Staatsgebiet ausgedehnt und von
neuem eingeschärft wurden. Anschütz, Komm. z. preuß. Verf. 1 187.
12 Auch in Preußen, wo ihnen trotz der sonst wesentlich gleichberech-
tigten Stellung wenigstens die Fähigkeit zur Bekleidung gewisser Amter
entzogen war. Ed. vom 11. März 1812, G. vom 29. Juli 1847. Ismar Freund,
Die Emanzipation der Juden in Preußen (1912).
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