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Gehorsamspflicht sowohl gegenüber dem Bunde als gegenüber den
Einzelstaaten, in Deutschland also sowohl gegenüber dem Reiche
als gegenüber den Ländern. Auch die Kommunalverbände haben
Anspruch auf Gehorsam, soweit ihnen die Ausübung obrigkeitlicher
Funktionen [z. B. Finanzgewalt, Polizei, Gerichtsbarkeit] über-
tragen ist.
Der Gehorsam äußert sich:
1. als Gehorsam gegenüber den Gesetzen. Zu diesem
sind sowohl Inländer als Ausländer verpflichtet, letztere jedoch,
von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nur insoweit, als sie sich
auf dem Staatsgebiet aufhalten. Dagegen bleiben die Inländer
auch während ihres Aufenthaltes im Auslande in umfassender
Weise der inländischen Gesetzgebung unterworfen ?.
2. als Gehorsam gegenüber den Verfügungen der
Behörden, und zwar:
‚. a) der Gerichte. Zu diesem sind nicht bloß Inländer,
sondern auch Ausländer verpflichtet, sofern für sie ein allgemeiner
oder spezieller Gerichtsstand begründet ist. Der Besitz von Grund-
stücken hat die Gerichtspflichtigkeit nur für solche Klagen zur
Folge, welche auf diesen Grundbesitz Bezug haben®. — Die Ver-
pflichtung zum Gehorsam ist gegenüber den endgültigen Ent-
scheidungen der Gerichte eine unbedingte, da dieselben, auch wenn
sie materiell unrichtig sind, formelles Recht repräsentieren;
b) der Verwaltungsorgane. Zum Gehorsam gegenüber
den Verwaltungsbehörden sind alle Personen verpflichtet, welche
mit denselben in Berührung kommen, einerlei ob Inländer oder
Ausländer. Dieser Gehorsam ist jedoch kein unbedingter, er be-
steht nur soweit, als die Verwaltungsverfügungen der Verfassung
und den Gesetzen entsprechen (verfassungsmäßiger Gehorsam) *,
Nach der früheren Gesetzgebung war der bloße Ungehorsam
(passiver Widerstand) gegen unberechtigte Verfügungen straflos,
während das tatsächliche Entgegentreten (aktiver Widerstand)
gegenüber einem Beamten als strafbare Handlung angesehen
wurde®. Nach dem RSitrGB ist dagegen auch tätlicher Wider-
a RStrGB $ 4 und zahlreiche andere Gesetze.
8 RZPrıO 85 24—26.
% Literatur über diese Erage bei R. v. Mohl, Geschichte und Literatur
der Staatswissenschaften 1 320f., und Gierke, Johannes Althusius 307 ff.
vol. außerdem Reyscher in den hannoverschen Verfassungsfragen, Zeit-
schrift für deutsches Recht 2 134ff.; L. v. Stein, Verwaltungslehre T. I
Abt. I, 390 ff; Bluntschli, Gehorsam und Widerstand, Staatswörterbuch 4
80f.; H. A. Zachariä, Gehorsam und Widerstand, Staatslexikon, 3. Aufl.,
4 209 ff.; Wolzendorff, Staatsrecht und Naturrecht (1916),
6 1. A. Zachariä 1 $ 91 S. 47 und im Staatslexikon; Zöpfl 2 8 283
S, 6; v. Roenne, Preuß. Staatsrecht 2 & 148 8.218 ff.; R. v. Mohl, Württem-
bergisches Staatsrecht 8 69; Stahl, Philosophie des Rechtes 2 Abt. 2 88 150
n. 151; v. Gerber 209 N. 4.
© RStGB $ 118; John in v. Holtzendorfis Handb. des deutschen Straf-
rechtes 8 115 ff.; K. Hiller, Die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung im Be-
griff des Verbrechens der Widersetzlichkeit (1878); E. Loening, Die Haftung