Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

die englische Flottenmobilisation hin (Blaubuch 48), gibt dem deutschen 
Botschafter zu verstehen, daß sich auch England an einem Kriege betei- 
ligen könnte, und unterrichtet die Botschafter des Zweibundes sofort von 
dieser an die deutsche Adresse gerichteten Warnung, womit der Sieg der 
Kriegspartei in Petersburg besiegelt war. 
Es war das gerade diejenige Haltung, die nach der sachverständigen 
Ansicht des englischen Botschafters Buchanan am ungeeignetsten war, 
eine gute Stimmung zwischen den Mächten hervorzurufen. 
Unter diesen Schwierigkeiten wird man es als einen besonderen 
Erfolg betrachten dürfen, daß es Deutschland gelang, Oesterreich-Ungarn 
dem Wunsche Rußlands, in Sonderverhandlungen einzutreten, geneigt 
zu machen. Hätte Rußland, ohne seinerseits militärische Maßnahmen zu 
treffen, die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn, das nur gegen Ser- 
bien mobilisiert hatte, im Gang gehalten, so hätte die volle Aussicht auf 
Erhaltung des Weltfriedens bestanden. 
Statt dessen mobilisierte Rußland 
gegen Oesterreich-Ungarn, wobei Ssasanoff sich völlig klar darüber war 
(ogl. Blaubuch 78), daß damit alle direkten Verständigungen mit Oester- 
reich-Ungarn hinfielen. Das mühsame Resultat der deutschen Vermitte- 
lungsverhandlungen war damit mit einem Schlage erledigt. 
Was geschah nun seitens der Ententemächte, um den Frieden in 
dieser letzten Stunde zu erhalten? 
„ Sir E. Grey nahm seinen Konferenzvorschlag wieder auf. Auch nach 
Ansicht des Herrn Ssasanoff war jetzt der geeignete Moment gekommen, 
um unter dem Druck der russischen Mobilisation gegen Oesterreich-Ungarn 
den alten englischen Gedanken der Konversation zu vieren wieder zu 
empfehlen. (Deutsches Weißbuch Seite 7.) Graf Pourtalés ließ den 
Minister nicht im Zweifel darüber, daß nach seiner Auffassung die 
Entente-Mächte hiermit dasselbe von Oesterreich-Ungarn verlangten, was 
sie Serbien nicht hatten zumuten wollen. Nämlich, unter militärischem 
Druck nachzugeben. Unter solchen Umständen konnte Deutschland und 
Oesterreich-Ungarn der Konferenzgedanke unmöglich sympathisch sein. 
Trotzdem erklärte Deutschland in London, daß es im Prinzip den Vor- 
schlag einer Intervention der vier Mächte annehme, ihm widerstrebe 
lediglich die Form einer Konferenz. GEleichzeitig drang der deutsche Bot- 
schafter in Petersburg in Ssasanoff, auch seinerseits Konzessionen zu 
machen, um ein Kompromiß zu ermöglichen. Daß diese Bemühungen 
fruchtlos blieben, ist bekannt. 
Rußland selbst schien an der weiteren Vermittelungstätigkeit Deutsch- 
lands in Wien, die bis zur letzten Stunde weiter geführt wurde, nichts 
mehr zu liegen. Es ordnete in der Nacht vom 30. zum 31. Juli die Mobi- 
lisation seiner gesamten Streitkräfte an, was die Mobilisation Deutsch- 
lands und dessen spätere Kriegserklärung zur Folge haben mußte. 
Angesichts dieses Ganges der Ereignisse ist es nicht verständlich, 
wie ein verantwortlicher Staatsmann den Mut finden kann, zu behaup- 
ten, daß Deutschland, das sich der russischen Mobilisation, den militä- 
rischen Vorbereitungen Frankreichs und der Mobilisierung der englischen 
Flotte gegenüber fand, noch am 31. Juli durch die Annahme einer unter 
den erhobenen Waffen der Entente-Mächte abzuhaltenden Konferenz den
	        
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