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zur Bestrafung einer Überschreitung von Höchstpreisen Fahrlässigkeit genüge.s)
Das Höchst Pr G. sei, so erklärt das RE., ein Ausnahmegesetz, das mit dazu
bestimmt sei, schwerste durch den Kriegszustand herbeigeführte Gefahren für
das Reich und die Reichsbevölkerung abzuwehren. Die ungeheure Wichtigkeit
dieses seines Zwecks rechtfertige die größte Strenge der angewandten Mittel,
sie rechtfertige es auch, daß nicht bloß vorsätzliche, sondern auch fahrlässige
UÜberschreitung der auf Grund des Gesetzes festgesetzten Höchstpreise bestraft
werde. An diesem Standpunkt hat das RG. in allen Entscheidungen kon-
sequent festgehalten.?) In den bisher bekannt gewordenen Entscheidungen
des höchsten Gerichtshofes handelte es sich zwar nur um Fälle, in denen eine
Höchstpreisüberschreitung in Frage stand; es kann aber keinem Zweifel unter-
liegen, daß unter Zugrundelegung der vom RG. betonten Gesichtspunkte auch
bezüglich der übrigen Kriegswucherdelikte ein strafbares Verschulden schon in
einer mangelnden Sorgfalt gegenüber den Anforderungen zu erblicken sein
würde, die in den Kriegswuchergesetzen an den einzelnen zur Abwehr von
Störungen in der Versorgung der Allgemeinheit gestellt werden.100
IV. Ein etwa noch möglicher Zweifel über die Auslegung der beiden
Kriegswuchergesetze in dieser Frage dürfte jedenfalls im wesentlichen beseitigt
sein durch die Verordnung vom 23. März 1916 (RGBl. S. 183), die nicht nur-
eine Erweiterung der strafrechtlichen Tatbestände brachte, sondern für das vor-
sätzliche Zuwiderhandeln gegen die Nr. 1 und 2 des § 6 des Höchst Pr G. und-
die Nr. 1 des § 5 der Preis Steig VO. besondere Strafbestimmungen trifft. Der-
Wortlaut der Verordnung läßt keinen Zweifel darüber, daß eine Auslegung
für verfehlt erachtet werden müßte, die deduzieren wollte: das Gesetz sei in
erster Linie auf vorsätzliche übertretungen gemünzt, die Neuredigierung wolle-
auch die fahrlässige Gesetzesübertretung miteinbeziehen, diese allerdings unter-
eine mildere Strafe stellen. Vielmehr soll offensichtlich durch die Verordnung
vom 23. März 1916 die vorsätzliche Übertretung zu einem gqualifizierten Fall
des Kriegswucherdelikts gestempelt werden. Man wird aber weiter auch nicht
aus dem Umstand, daß nicht für alle Tatbestände der beiden Gesetze besondere-
Strafandrohungen gegen vorsätzliche Verfehlungen erlassen sind, den Schluß
ziehen dürfen: das Gesetz gehe im übrigen davon aus, daß überhaupt nur eim
vorsätzliches Zuwiderhandeln in Frage kommen könne. Vielmehr dürfte die-
hervorgehobene Differenzierung der Strafandrohung dadurch zu erklären sein,
daß nur bei den von ihr qualifizierten Delikten ein strafbarer Gewinn festzu-
8) S. Urteil des IV. Senats vom 30. März 1915, Entsch. Bd. 49 S. 116. Zur-
Zeit der Abfassung des v. Liszt schen Gutachtens waren diese und andere gleich-
lautende Entscheidungen des RG. vielleicht schon erlassen, aber jedenfalls noch nicht-
publiziert.
5) S. z. B. Urteil des I. Senats vom 14. Juni 1915 in JW. 1915 S. 1443
Süb b, wo in dieser Frage eine konstante Judikatur dieses Senats bezeugt wird.
10) S. allerdings auch den folgenden Paragraphen Anm. 1 am Ende.